Hämostaseologie: Blutgerinnung im Fokus

Hämostaseologie: Blutgerinnung im Fokus

31.10.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Hämostaseologie ist die medizinische Fachrichtung, die sich mit der Blutgerinnung und deren Störungen beschäftigt.

Was steckt hinter dem Begriff?

Das Wort Hämostaseologie setzt sich aus zwei Teilen zusammen: „Hämo“ steht für Blut, „-stase“ bedeutet Stillstand oder Stopp. In der Medizin beschreibt „Hämostase“ den Vorgang, bei dem der Körper Blutungen stoppt, zum Beispiel nach einer Verletzung. Die Hämostaseologie ist also das Fachgebiet, das sich mit allen Vorgängen rund um die Blutgerinnung und deren Kontrolle beschäftigt. Ärztinnen und Ärzte, die in diesem Bereich arbeiten, werden oft als Hämostaseologen bezeichnet.

Wann wird das Fachgebiet wichtig?

Die Hämostaseologie spielt immer dann eine Rolle, wenn es um Blutungen, Blutgerinnsel oder die richtige Balance zwischen „zu viel“ und „zu wenig“ Gerinnung geht. Das betrifft Menschen mit ungewöhnlich starken oder häufigen Blutungen, wie sie etwa bei bestimmten angeborenen Erkrankungen (zum Beispiel der Hämophilie, auch „Bluterkrankheit“ genannt) auftreten. Auch bei einer Neigung zu Blutgerinnseln, sogenannten Thrombosen, kommt die Hämostaseologie ins Spiel. In diesem Zusammenhang tauchen Begriffe wie Gerinnungsfaktoren, Antikoagulation oder Antiphospholipidsyndrom auf.

Auch im Rahmen von Operationen, bei Schwangerschaftskomplikationen oder wenn bestimmte Medikamente eingenommen werden, kann eine genaue Überwachung der Blutgerinnung notwendig sein. Die Hämostaseologie ist also ein sehr vielseitiges Fachgebiet, das viele Bereiche der Medizin berührt.

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Was passiert bei der Blutgerinnung?

Um zu verstehen, was die Hämostaseologie untersucht, hilft ein Blick auf den Ablauf der Blutgerinnung. Nach einer Verletzung sorgen verschiedene Mechanismen dafür, dass das Blut an der Wunde gerinnt und die Blutung gestoppt wird. Zuerst ziehen sich die Blutgefäße zusammen, dann lagern sich Blutplättchen (Thrombozyten) an die verletzte Stelle an. Im nächsten Schritt werden sogenannte Gerinnungsfaktoren aktiviert. Das sind spezielle Eiweiße im Blut, die wie ein Kettenreaktion zusammenarbeiten und schließlich ein stabiles Blutgerinnsel bilden.

Dieser gesamte Vorgang ist sehr fein abgestimmt. Gerät das Gleichgewicht aus der Bahn, kann es zu Problemen kommen: Das Blut gerinnt zu langsam (es besteht die Gefahr von Blutungen) oder zu schnell (es drohen Gerinnsel und damit Thrombosen oder Embolien).

Wie läuft eine Untersuchung in der Hämostaseologie ab?

Wenn der Verdacht auf eine Störung der Blutgerinnung besteht, werden verschiedene Tests durchgeführt. Meist reicht eine Blutprobe aus, um die wichtigsten Werte zu bestimmen. Dabei werden zum Beispiel die Anzahl und Funktion der Blutplättchen, die Konzentration der Gerinnungsfaktoren und die Zeit, die das Blut zum Gerinnen braucht, gemessen.

Manchmal sind auch spezielle Untersuchungen nötig, etwa wenn der Verdacht auf seltene Erkrankungen besteht. In solchen Fällen arbeitet die Hämostaseologie eng mit anderen Fachbereichen wie der Inneren Medizin, der Gynäkologie oder der Pädiatrie zusammen.

Welche Erkrankungen betreut die Hämostaseologie?

Dieses Fachgebiet umfasst eine breite Palette an Krankheitsbildern. Dazu gehören angeborene Störungen wie die Hämophilie oder das von-Willebrand-Syndrom, bei denen bestimmte Gerinnungsfaktoren fehlen oder nicht richtig funktionieren. Auch erworbene Probleme, etwa durch Medikamente, Autoimmunerkrankungen oder andere Grunderkrankungen, werden in der Hämostaseologie behandelt.

Ein weiteres wichtiges Thema sind Thrombosen und Embolien. Hierbei bildet sich ein Blutgerinnsel, das ein Gefäß verstopft und zu ernsthaften Komplikationen führen kann. Das Antiphospholipidsyndrom etwa ist eine seltene, aber bedeutsame Ursache für wiederholte Blutgerinnsel. Mehr dazu findest du im Artikel zum Antiphospholipidsyndrom.

Auch die sogenannte Antikoagulation, also die medikamentöse Hemmung der Blutgerinnung, ist Teil dieses Fachgebiets. Sie spielt zum Beispiel nach Schlaganfällen, bei Vorhofflimmern oder bei künstlichen Herzklappen eine wichtige Rolle. Ausführliche Informationen dazu gibt es im Beitrag zur Antikoagulation.

Warum ist das Gleichgewicht so entscheidend?

Das Besondere an der Hämostaseologie ist, dass sie sich immer mit dem Gleichgewicht beschäftigt: Einerseits muss das Blut im Alltag flüssig bleiben, damit es überall im Körper zirkulieren kann. Andererseits muss der Körper schnell reagieren können, wenn es zu einer Verletzung kommt, damit keine gefährlichen Blutungen entstehen.

Kleine Veränderungen, sei es durch Erkrankungen, Medikamente oder hormonelle Einflüsse, können dieses Gleichgewicht stören. Deshalb ist die genaue Analyse und Überwachung durch die Hämostaseologie oft entscheidend, um Komplikationen zu vermeiden.

Häufige Begriffe und ihre Bedeutung

In Befunden oder Arztbriefen tauchen rund um die Hämostaseologie viele Fachbegriffe auf. Gerinnungsfaktoren bezeichnen spezielle Eiweiße, die für die Bildung eines Blutgerinnsels notwendig sind. Thrombozyten sind die Blutplättchen, die bei der ersten Phase der Blutstillung eine Rolle spielen. Antikoagulation steht für die Hemmung der Blutgerinnung, etwa durch Medikamente wie Marcumar oder neuere Wirkstoffe.

Das Antiphospholipidsyndrom ist eine seltenere Erkrankung, bei der das Immunsystem fälschlicherweise bestimmte Bestandteile des eigenen Blutes angreift, was zu einer erhöhten Neigung zu Blutgerinnseln führen kann. Ausführlichere Erklärungen zu diesen Begriffen finden sich in den verlinkten Artikeln zu Gerinnungsfaktoren, Antikoagulation und Antiphospholipidsyndrom.

Wo begegnet einem die Hämostaseologie im Alltag?

Nicht nur bei seltenen Erkrankungen, sondern auch im Alltag spielt die Blutgerinnung eine Rolle. Wer etwa blutverdünnende Medikamente einnimmt, sollte regelmäßig die Gerinnungswerte kontrollieren lassen. Auch vor Operationen oder zahnärztlichen Eingriffen wird oft geprüft, ob die Blutgerinnung normal funktioniert, um Komplikationen zu vermeiden.

Schwangere, Menschen mit bestimmten Vorerkrankungen oder solche, bei denen in der Familie gehäuft Thrombosen oder Blutungen auftreten, profitieren ebenfalls von einer hämostaseologischen Abklärung.

Die Hämostaseologie ist damit ein Schlüsselgebiet, wenn es um die Sicherheit bei Blutungen, Operationen oder der Vermeidung von Blutgerinnseln geht.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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