Dermatillomanie – Zwanghaftes Hautzupfen verstehen

Dermatillomanie – Zwanghaftes Hautzupfen verstehen

10.12.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Dermatillomanie bezeichnet eine psychische Störung, bei der Menschen wiederholt und zwanghaft an ihrer Haut zupfen, drücken oder kratzen, bis sichtbare Verletzungen entstehen.

Wenn das Zupfen zur Belastung wird

Es beginnt oft harmlos: Ein kleiner Pickel, eine raue Stelle, vielleicht ein eingewachsenes Haar. Doch bei Dermatillomanie, auch Skin Picking Disorder genannt, bleibt es nicht bei gelegentlichem Zupfen. Die Hände wandern immer wieder unbewusst zu bestimmten Hautstellen. Es wird gedrückt, gezupft oder gekratzt, manchmal stundenlang. Die Folge sind offene Wunden, Krusten, Narben oder Entzündungen. Viele Betroffene berichten, dass sie das Verhalten kaum kontrollieren können, auch wenn sie wissen, dass es der Haut schadet.

Diese Störung zählt zu den sogenannten Impulskontrollstörungen. Das bedeutet: Das starke innere Bedürfnis, an der Haut zu manipulieren, lässt sich kaum unterdrücken. Oft tritt das Zupfen in stressigen Situationen auf oder wenn Langeweile herrscht. Manche empfinden dabei kurzfristig Erleichterung, andere spüren vor allem Scham und Frust nach einer Episode.

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Wie häufig kommt Dermatillomanie vor?

Genaue Zahlen sind schwer zu ermitteln, denn viele Betroffene sprechen aus Scham nicht darüber. Schätzungen zufolge leiden etwa ein bis fünf Prozent der Bevölkerung irgendwann im Leben an Dermatillomanie. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die Störung beginnt meist in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter, kann aber auch später erstmals auftreten.

Typische Fragen und Sorgen

Viele Menschen fragen sich: Ist das gefährlich? Die Haut wird durch das ständige Manipulieren tatsächlich verletzt, was zu Infektionen führen kann. Narben und Pigmentstörungen bleiben manchmal dauerhaft zurück. Die seelische Belastung wiegt oft noch schwerer: Schuldgefühle, Rückzug und das Vermeiden sozialer Kontakte sind keine Seltenheit.

Ein weiteres Thema ist die Unsicherheit: Ab wann spricht man von Dermatillomanie und nicht mehr von einer schlechten Angewohnheit? Entscheidend ist, wie stark das Verhalten den Alltag beeinträchtigt. Wenn das Zupfen über längere Zeit immer wieder auftritt, nicht mehr kontrolliert werden kann und zu deutlichen Hautschäden führt, handelt es sich um eine behandlungsbedürftige Störung.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Dermatillomanie wird meist durch ein ausführliches Gespräch mit einer Fachperson für Psychiatrie oder Psychotherapie erkannt. Es gibt keine speziellen Bluttests oder bildgebenden Untersuchungen. Wichtige Hinweise sind die Beschreibung des Verhaltens, das Ausmaß der Hautschäden und der Leidensdruck. Manchmal werden auch Fragebögen eingesetzt, um die Diagnose abzusichern oder andere Erkrankungen auszuschließen.

Nicht selten werden Betroffene zunächst wegen Hautproblemen beim Hautarzt vorstellig. Erst nach mehreren Arztbesuchen wird klar, dass hinter den Beschwerden eine psychische Ursache steckt.

Behandlungsmöglichkeiten und was helfen kann

Die gute Nachricht: Dermatillomanie ist behandelbar. Besonders bewährt hat sich das sogenannte Habit Reversal Training, eine spezielle Form der Verhaltenstherapie. Hier lernst du, das automatische Zupfen zu erkennen und durch alternative Handlungen zu ersetzen. Mehr Informationen dazu gibt es im Artikel zum Habit-Reversal-Training.

Auch andere psychotherapeutische Methoden wie kognitive Verhaltenstherapie oder achtsamkeitsbasierte Ansätze können helfen, besser mit innerem Stress und Anspannung umzugehen. In manchen Fällen werden ergänzend Medikamente eingesetzt, vor allem wenn zusätzlich Ängste oder Depressionen bestehen.

Wichtig ist, sich nicht zu schämen und frühzeitig Hilfe zu suchen. Je früher die Behandlung beginnt, desto besser lassen sich dauerhafte Hautschäden verhindern.

Was du selbst tun kannst

Wer unter dem ständigen Drang leidet, an der Haut zu zupfen, kann einige Strategien ausprobieren. Achtsamkeit hilft, das eigene Verhalten frühzeitig zu bemerken. Manchmal reicht es schon, die Hände zu beschäftigen – etwa mit einem Stressball oder einem kleinen Stoffstück in der Hosentasche. Auch das Führen eines Tagebuchs kann helfen, Auslöser und Muster zu erkennen.

Hautpflege spielt eine wichtige Rolle. Gut eingecremte Haut bietet weniger Angriffsfläche für Risse und Schüppchen. Offene Stellen sollten desinfiziert und sauber gehalten werden, um Infektionen zu vermeiden.

Das Gespräch mit anderen, zum Beispiel in Selbsthilfegruppen oder Onlineforen, kann entlasten. Viele Betroffene erleben, dass sie mit dem Problem nicht allein sind.

Warum es kein Zeichen von Schwäche ist

Dermatillomanie ist keine Frage von Willenskraft oder mangelnder Disziplin. Es handelt sich um eine anerkannte psychische Störung, die oft mit anderen Impulskontrollstörungen verwandt ist. Mehr dazu findest du im Artikel über Impulskontrollstörung.

Das offene Gespräch mit Fachleuten und das Wissen um die eigenen Auslöser sind wichtige erste Schritte. Auch wenn der Weg manchmal lang erscheint: Mit Geduld, Unterstützung und den passenden Methoden lässt sich der Teufelskreis durchbrechen.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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