Trichotillomanie ist eine psychische Störung, bei der immer wieder das Bedürfnis auftritt, sich selbst Haare auszureißen – meist vom Kopf, aber auch von Augenbrauen, Wimpern oder anderen Körperstellen. Die Fachwelt zählt Trichotillomanie zu den sogenannten Zwangsstörungen, weil der Drang zum Haareausreißen oft kaum kontrollierbar erscheint.
Wenn das eigene Haar zur Belastung wird
Das Ausreißen der Haare passiert meist nicht aus Langeweile oder als gelegentliche Angewohnheit. Vielmehr entwickelt sich ein innerer Zwang, dem kaum widerstanden werden kann. Viele Betroffene berichten, dass sie vor dem Ausreißen eine starke innere Anspannung spüren, die sich erst nach dem Ziehen der Haare für einen Moment löst. Häufig folgt darauf jedoch Scham, Schuldgefühle oder Frust – weil kahle Stellen sichtbar werden oder das eigene Verhalten als belastend empfunden wird.
Trichotillomanie beginnt oft schon in der Kindheit oder Jugend, kann aber auch Erwachsene treffen. Typisch ist, dass die betroffenen Stellen mit der Zeit immer deutlicher sichtbar werden. Das kann dazu führen, dass das Thema Haare zu einem großen Problem im Alltag wird – etwa durch Fragen von Mitschülern, Kollegen oder in der Familie.
Was steckt hinter der Diagnose?
Medizinisch betrachtet zählt Trichotillomanie zu den sogenannten Impulskontrollstörungen. Das bedeutet: Es besteht ein starker Drang, eine bestimmte Handlung auszuführen – in diesem Fall das Haareausreißen – obwohl man weiß, dass es eigentlich schadet. Die Ursachen sind nicht vollständig geklärt. Viele Fachleute vermuten, dass eine Mischung aus genetischen Faktoren, Stress, emotionalen Belastungen und bestimmten Veränderungen im Gehirn eine Rolle spielt.
Nicht selten tritt Trichotillomanie gemeinsam mit anderen psychischen Problemen auf, zum Beispiel mit Angststörungen, Depressionen oder anderen Zwängen. Auch Phasen starker Anspannung oder Langeweile können das Verhalten verstärken.
Typische Ängste und Fragen
Die Diagnose Trichotillomanie kann verunsichern und viele Fragen aufwerfen. Ist das gefährlich? Werde ich jemals damit aufhören können? Was denken andere über mich? Gerade die Angst vor Stigmatisierung und Scham über das eigene Verhalten sind häufig. Viele versuchen, die kahlen Stellen zu verstecken oder reden lange mit niemandem über ihr Problem.
Oft besteht die Sorge, dass das Haar nicht mehr nachwächst oder dass bleibende Schäden entstehen. In den meisten Fällen regeneriert sich das Haar jedoch, sobald das Ausreißen gestoppt wird. Nur bei sehr langem oder intensivem Ziehen kann es vorkommen, dass einzelne Bereiche dauerhaft haarlos bleiben.
Wie wird Trichotillomanie behandelt?
Es gibt verschiedene Ansätze, um mit Trichotillomanie umzugehen. Besonders bewährt hat sich die sogenannte Verhaltenstherapie. Hier geht es darum, die eigenen Auslöser und Muster besser zu verstehen und gezielt gegenzusteuern. Eine spezielle Form, die „Habit-Reversal-Training“, hilft, das Ausreißen durch alternative, weniger schädliche Verhaltensweisen zu ersetzen.
Auch Entspannungsverfahren und das Erlernen von Stressbewältigung können helfen, den inneren Druck zu verringern. In manchen Fällen kommen Medikamente zum Einsatz, vor allem wenn gleichzeitig Depressionen oder starke Zwänge vorliegen. Die Wahl der Therapie hängt immer von der individuellen Situation ab.
Wichtig ist: Trichotillomanie ist behandelbar. Es braucht oft Geduld und Unterstützung, aber viele Menschen schaffen es, das Verhalten deutlich zu reduzieren oder zu stoppen.
Leben mit Trichotillomanie
Wer unter Trichotillomanie leidet, ist damit nicht allein. Auch wenn es schwerfällt, darüber zu sprechen, kann der Austausch mit anderen Betroffenen entlasten und Mut machen. Selbsthilfegruppen, Online-Foren oder Gespräche mit Fachleuten bieten Möglichkeiten, Erfahrungen zu teilen und Wege aus dem Kreislauf zu finden.
Ein offener Umgang mit dem eigenen Problem kann helfen, Scham abzubauen und wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen. Es lohnt sich, Hilfe zu suchen – denn Trichotillomanie ist keine Charakterschwäche, sondern eine ernstzunehmende Störung, für die es wirksame Unterstützung gibt.