Alopezie: Formen, Ursachen und Behandlung erklärt

Alopezie: Formen, Ursachen und Behandlung erklärt

23.09.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Alopezie bedeutet Haarausfall – ein Zustand, bei dem Haare auf dem Kopf oder an anderen Körperstellen teilweise oder vollständig ausfallen. Für Betroffene ist das oft eine große seelische Belastung. Doch nicht jeder Haarverlust ist gleich: Ursachen, Verlauf und Behandlungsmöglichkeiten unterscheiden sich deutlich.

Was passiert bei Alopezie?

Haare durchlaufen einen natürlichen Wachstumszyklus aus Wachstumsphase (Anagen), Ruhephase (Telogen) und Ausfallphase (Katagen). Normalerweise fallen täglich 50–100 Haare aus, ohne dass lichte Stellen entstehen. Bei Alopezie gerät dieses Gleichgewicht aus dem Takt: Mehr Haare fallen aus, als nachwachsen. So entstehen sichtbare kahle Stellen, diffuse Ausdünnung oder kompletter Haarverlust. Der Begriff selbst beschreibt dabei nur das Symptom des Haarausfalls, nicht die genaue Ursache.

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Formen von Haarausfall

Alopezie ist ein Sammelbegriff, unter dem verschiedene Arten von Haarausfall zusammengefasst werden. Am häufigsten tritt die sogenannte androgenetische Alopezie auf, die oft als erblich bedingter Haarausfall bezeichnet wird. Hierbei lichten sich die Haare meist am Oberkopf oder an den Schläfen, manchmal auch am Hinterkopf. Diese Form betrifft sowohl Männer als auch Frauen, zeigt sich aber oft unterschiedlich ausgeprägt.

Eine andere Variante ist die Alopecia areata, bei der plötzlich runde, kahle Stellen entstehen. Diese Form gilt als eine Autoimmunerkrankung, bei der das Immunsystem die Haarwurzeln angreift. Es gibt zudem die diffuse Alopezie, bei der die Haare gleichmäßig über den ganzen Kopf ausfallen, sowie die vernarbende Alopezie, bei der Haarfollikel dauerhaft zerstört werden. Jede dieser Formen hat eigene Ursachen und einen eigenen Verlauf.

Erkrankungen als mögliche Ursache von Haarausfall

Neben erblichen Faktoren gibt es eine Reihe von Erkrankungen, die Haarausfall begünstigen können. Häufig spielen hormonelle Störungen eine Rolle, etwa eine Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse, das polyzystische Ovarialsyndrom (PCOS) oder starke hormonelle Schwankungen in den Wechseljahren. Auch Stoffwechselerkrankungen wie Diabetes mellitus oder chronische Leber- und Nierenerkrankungen können sich negativ auf den Haarzyklus auswirken. Darüber hinaus tritt Haarausfall nicht selten im Zusammenhang mit Mangelzuständen auf, beispielsweise bei Eisenmangel, Vitamin-D-Mangel oder einem Defizit an Eiweiß und Spurenelementen. Seltener sind entzündliche Erkrankungen der Kopfhaut wie Schuppenflechte, Pilzinfektionen oder Lupus erythematodes verantwortlich.

Die Abklärung erfolgt in der Regel durch eine gründliche Anamnese und körperliche Untersuchung. Ergänzend können Blutuntersuchungen wichtige Hinweise geben, etwa auf Hormonwerte, Schilddrüsenfunktion oder Eisen- und Vitaminstatus. Bei Verdacht auf entzündliche oder autoimmunologische Ursachen kommen Hautabstriche, Gewebeproben oder bildgebende Verfahren zum Einsatz. So lässt sich feststellen, ob der Haarausfall auf eine behandelbare Erkrankung zurückzuführen ist und welche gezielten Therapien sinnvoll sind.

Welche Tests zur Abklärung von Haarausfall möglich sind

In vielen Fällen reicht eine sorgfältige ärztliche Untersuchung, um die Ursache des Haarausfalls einzugrenzen. Wenn der Verlauf typisch ist, etwa beim erblich bedingten Haarausfall, sind weiterführende Tests häufig nicht notwendig. Liegt jedoch ein ungewöhnlicher Beginn vor – etwa ein sehr früher Haarausfall ohne familiäre Vorbelastung – oder bestehen zusätzliche Symptome, werden gezielte Untersuchungen empfohlen.

Dazu gehören in erster Linie Blutuntersuchungen, die Hinweise auf hormonelle Störungen, Mangelzustände oder andere Erkrankungen liefern können. Bei Frauen mit Haarausfall und zusätzlichen männlichen Merkmalen wie tieferer Stimme oder verstärkter Körperbehaarung werden oft die Spiegel männlicher Hormone wie Testosteron oder DHEAS bestimmt. Auch Werte für Schilddrüsenhormone sowie LH und FSH können wichtig sein, insbesondere wenn ein polyzystisches Ovarialsyndrom (PCOS) vermutet wird.

Zur direkten Beurteilung des Haarverlusts nutzen Ärztinnen und Ärzte verschiedene Tests. Der sogenannte Haarausreißtest („Pull Test“) gibt Aufschluss darüber, ob sich zu viele Haare gleichzeitig in der Ruhephase befinden. Dabei wird an kleinen Haarbüscheln gezogen und gezählt, wie viele Haare sich dabei lösen. Ergänzend können Betroffene selbst eine Haarauszählung durchführen, indem über einen Zeitraum von etwa zwei Wochen die ausgefallenen Haare gesammelt und gezählt werden. Werte über 100 Haare pro Tag gelten in der Regel als auffällig, wobei nach dem Haarewaschen auch höhere Zahlen noch normal sein können.

Wenn die Ursache unklar bleibt oder eine vernarbende Alopezie vermutet wird, kann eine Kopfhautbiopsie sinnvoll sein. Dabei wird ein kleines Stück Haut entnommen, um die Haarfollikel mikroskopisch zu untersuchen. Auf diese Weise lässt sich unterscheiden, ob es sich um eine reversible Form des Haarausfalls handelt oder ob die Haarwurzeln dauerhaft geschädigt sind.

Durch diese Kombination aus körperlicher Untersuchung, Bluttests und speziellen Verfahren lässt sich in den meisten Fällen eine klare Diagnose stellen und die passende Therapie einleiten.

Behandlungsmöglichkeiten bei Alopezie

Die Behandlung richtet sich nach der Ursache und Form des Haarausfalls. Neben allgemeinen Maßnahmen und Lebensstiländerungen kommen verschiedene Medikamente, operative Verfahren und unterstützende Methoden infrage.

Medikamente gegen Haarausfall

Minoxidil

Minoxidil ist eines der am häufigsten eingesetzten Mittel bei erblich bedingtem Haarausfall. Es wird in Form einer Lösung oder eines Schaums zweimal täglich direkt auf die Kopfhaut aufgetragen. Die Wirkung zeigt sich oft erst nach 8 bis 12 Monaten, kann aber den weiteren Haarverlust aufhalten und teilweise neues Wachstum anregen. Typische Nebenwirkungen sind Juckreiz, Hautreizungen oder ein verstärkter Haarwuchs im Gesicht. Neben der topischen Anwendung wird Minoxidil zunehmend auch in niedriger Dosierung als Tablette eingesetzt, was jedoch als Off-Label-Therapie gilt.

Finasterid

Finasterid blockiert die Wirkung männlicher Hormone auf die Haarfollikel und wird in Tablettenform eingenommen. Bei Männern kann es den Haarausfall deutlich verlangsamen und teilweise neues Wachstum ermöglichen. Erste Ergebnisse zeigen sich meist nach sechs bis acht Monaten. Bei Frauen wird Finasterid nur selten eingesetzt, da es in der Schwangerschaft zu Fehlbildungen führen kann. Nebenwirkungen können eine verringerte Libido, Erektionsstörungen oder eine Brustvergrößerung sein. In seltenen Fällen treten depressive Symptome auf. Da Finasterid den PSA-Wert (prostataspezifisches Antigen) senken kann, sollte vor Therapiebeginn besprochen werden, wie sich dies auf die Krebsvorsorge auswirkt.

Weitere hormonell wirksame Medikamente

Bei manchen Frauen mit hormonell bedingtem Haarausfall kommen Medikamente wie Spironolacton zum Einsatz, die den Einfluss männlicher Hormone auf die Haarwurzeln abschwächen können.

Ein wichtiger Punkt bei allen medikamentösen Therapien: Die Wirkung hält nur so lange an, wie die Medikamente konsequent angewendet werden. Nach dem Absetzen setzt der Haarausfall meist erneut ein.

Chirurgische Verfahren

Haartransplantation

Bei einer Haartransplantation werden gesunde Haarfollikel von stark behaarten Arealen, meist am Hinterkopf, in kahle Bereiche verpflanzt. Heute wird in der Regel die sogenannte FUE-Methode („Follicular Unit Extraction“) angewandt, bei der einzelne Follikeleinheiten übertragen werden. So lassen sich sehr natürliche Ergebnisse erzielen.

Kopfhautreduktion und Gewebedehnung

Seltener werden kahle Bereiche operativ entfernt oder die Kopfhaut durch spezielle Techniken gedehnt, um die behaarten Areale auf eine größere Fläche zu verteilen.

Nicht-chirurgische Alternativen

Perücken und Haarteile

Wenn Haarausfall vorübergehend ist, beispielsweise während einer Chemotherapie, können Perücken eine gute Lösung sein. Am besten wird bereits vor Beginn der Therapie eine passende Perücke ausgewählt, sodass sie bei Bedarf sofort verfügbar ist. Da nach einer Chemotherapie die Haare oft in veränderter Farbe oder Struktur nachwachsen, sind Perücken meist nur eine Übergangslösung.

Lasertherapie

Die Laserlichttherapie kann das Haarwachstum bei androgenetischer Alopezie anregen. Sie wird sowohl in ärztlichen Praxen als auch mithilfe spezieller Heimgeräte angeboten. Studien zeigen, dass eine regelmäßige Anwendung zu dichteren Haaren führen kann.

PRP-Therapie (platelet-rich plasma)

Bei der PRP-Therapie wird dem Patienten Blut entnommen, aufbereitet und das plättchenreiche Plasma anschließend in die Kopfhaut injiziert. Die enthaltenen Wachstumsfaktoren sollen die Haarfollikel stimulieren und so das Haarwachstum fördern. Erste Studien sind vielversprechend, die Wirksamkeit ist jedoch noch nicht abschließend belegt.

Kosmetische Lösungen

Dünner werdendes Haar lässt sich auch kosmetisch kaschieren. Camouflagepuder, Haarfasern oder Concealer binden sich an bestehende Haare und lassen sie dichter wirken. Eine andere Option ist die Mikropigmentierung, bei der die Kopfhaut mit feinen Farbpigmenten tätowiert wird, um das Erscheinungsbild voller Haare zu simulieren.

Was man selbst tun kann

Auch wenn nicht jeder Haarausfall vollständig verhindert werden kann, gibt es Maßnahmen, mit denen sich das Haarwachstum unterstützen lässt. Eine ausgewogene Ernährung spielt dabei eine zentrale Rolle. Besonders wichtig sind Eiweiße, Eisen, Zink, Biotin und Vitamin D, da sie am Aufbau der Haarstruktur und an der Zellteilung beteiligt sind. Fehlen diese Nährstoffe, kann das Haar dünner werden oder schneller ausfallen. Nahrungsergänzungsmittel können in Einzelfällen sinnvoll sein – etwa bei nachgewiesenem Eisenmangel oder Vitamin-D-Mangel. Ohne gesicherte Diagnose ist es jedoch wenig zielführend, wahllos Präparate einzunehmen, da ein Übermaß bestimmter Vitamine oder Spurenelemente sogar schädlich sein kann.

Darüber hinaus kann es helfen, die Kopfhaut regelmäßig sanft zu massieren, um die Durchblutung zu fördern. Stressreduktion durch Bewegung, Yoga oder Entspannungstechniken wirkt sich ebenfalls positiv auf den Haarzyklus aus, da psychische Belastung ein häufiger Auslöser für diffusen Haarausfall ist.

Hartnäckig halten sich dagegen einige Mythen, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Weder häufiges Haareschneiden noch spezielle Shampoos führen zu stärkerem Nachwuchs. Auch das Tragen von Mützen oder Helmen verursacht keinen dauerhaften Haarausfall. Haarverlust ist fast immer auf innere Ursachen wie Gene, Hormone oder gesundheitliche Faktoren zurückzuführen – nicht auf äußere Kleinigkeiten des Alltags.

Die psychische Seite von Alopezie

Haarausfall kann das Selbstbild und das Wohlbefinden stark beeinträchtigen. Gerade dann, wenn die Haare sichtbar ausdünnen oder kahle Stellen entstehen, fühlen sich viele Menschen unsicher oder schämen sich sogar. Das ist völlig verständlich, denn Haare sind für viele ein wichtiger Teil der eigenen Identität. Es hilft, offen mit dem Thema umzugehen und sich bei Bedarf Unterstützung zu holen – sei es durch Beratung, Gespräche mit anderen Betroffenen oder professionelle Hilfe.

Wann sollte man ärztlichen Rat suchen?

Ein gewisser Haarverlust ist ganz normal und gehört zum natürlichen Lebenszyklus der Haare. Wenn jedoch plötzlich ungewöhnlich viele Haare ausfallen, sich kahle Stellen bilden oder der Haarausfall mit weiteren Symptomen wie Juckreiz, Rötungen oder Schmerzen einhergeht, ist es sinnvoll, eine Ärztin oder einen Arzt aufzusuchen. Auch bei Unsicherheit über die Ursache oder wenn der Haarausfall sehr belastend wird, lohnt sich eine fachliche Einschätzung. So lässt sich klären, ob eine behandlungsbedürftige Ursache vorliegt und welche Möglichkeiten es gibt, den Haarausfall zu stoppen oder zu verlangsamen.

Alopezie ist zwar oft harmlos, kann aber das Leben spürbar beeinflussen. Mit der richtigen Diagnose und passenden Maßnahmen lässt sich jedoch in vielen Fällen gut damit umgehen.

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BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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