Myasthenia gravis ist eine seltene, chronische Erkrankung, bei der die Signalübertragung zwischen Nerven und Muskeln gestört ist und dadurch Muskelschwäche entsteht. Diese Schwäche kann unterschiedlich stark ausgeprägt sein und betrifft oft bestimmte Muskelgruppen, vor allem die, die für Augenbewegungen, Gesichtsausdruck, Schlucken oder Atmen zuständig sind.
Was passiert bei dieser Erkrankung?
Normalerweise steuern Nerven die Muskeln, indem sie an den sogenannten neuromuskulären Endplatten Botenstoffe freisetzen. Einer dieser Botenstoffe, das Acetylcholin, dockt an spezielle Rezeptoren auf der Muskelzelle an und löst so eine Bewegung aus. Bei myasthenia gravis richtet sich das Immunsystem gegen diese Rezeptoren, sodass weniger Botenstoff ankommt und die Muskeln nicht mehr richtig reagieren. Das macht sich vor allem dann bemerkbar, wenn ein Muskel wiederholt oder länger beansprucht wird.
Typische Beschwerden und erste Anzeichen
Die Erkrankung zeigt sich oft schleichend. Häufig beginnt sie mit einer Schwäche der Augenmuskeln. Das führt dazu, dass die Augenlider herabhängen oder Doppelbilder auftreten. Im weiteren Verlauf können auch andere Muskeln betroffen sein. Das Sprechen klingt dann manchmal nasal, das Kauen fällt schwer oder das Schlucken bereitet Probleme. Auch die Muskulatur von Armen und Beinen kann nachlassen, meist verstärken sich die Beschwerden im Laufe des Tages oder bei Belastung. Morgens ist die Kraft oft noch besser als abends.
Viele fragen sich, ob das gefährlich ist. Die Symptome können sehr belastend sein, vor allem wenn das Atmen oder Schlucken beeinträchtigt wird. In seltenen Fällen kommt es zu einer sogenannten myasthenen Krise, bei der die Atemmuskulatur so stark geschwächt ist, dass eine intensivmedizinische Behandlung notwendig wird. Die meisten Betroffenen erleben aber einen eher schubweisen Verlauf, in dem sich Phasen mit stärkerer und schwächerer Ausprägung abwechseln.
Ursachen und Risikofaktoren
Myasthenia gravis gehört zu den sogenannten Autoimmunerkrankungen. Das bedeutet, das Immunsystem greift körpereigenes Gewebe an, in diesem Fall die Acetylcholinrezeptoren an der Muskelzelle. Warum das passiert, ist noch nicht vollständig geklärt. Es gibt Hinweise auf eine genetische Veranlagung, aber auch Umweltfaktoren könnten eine Rolle spielen. Die Krankheit kann grundsätzlich in jedem Alter auftreten, wird aber bei Frauen häufiger zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr festgestellt, bei Männern dagegen eher im höheren Alter.
Einige Menschen mit myasthenia gravis haben Veränderungen an der Thymusdrüse, einem Organ, das für die Steuerung des Immunsystems wichtig ist. Bei manchen Betroffenen wird dort ein gutartiger Tumor, ein sogenanntes Thymom, gefunden.
Wie wird die Diagnose gestellt?
Die Diagnose ist nicht immer einfach, da die Symptome anfangs oft unspezifisch sind. Ein erfahrener Arzt achtet auf typische Beschwerden und prüft, ob sich die Muskelschwäche nach wiederholter Anstrengung verstärkt. Es gibt spezielle Tests, bei denen Medikamente eingesetzt werden, die die Signalübertragung kurzfristig verbessern. Auch eine Blutuntersuchung hilft weiter: In den meisten Fällen lassen sich bestimmte Antikörper nachweisen, die gegen die Acetylcholinrezeptoren gerichtet sind. Weitere Untersuchungen wie eine Messung der Muskelströme (Elektromyografie) oder bildgebende Verfahren, zum Beispiel ein CT des Brustkorbs, können ergänzend sinnvoll sein.
Häufige Sorgen und Fragen
Viele fragen sich nach der Diagnose, wie es mit der Erkrankung weitergeht und ob sie das eigene Leben stark einschränkt. Die Vorstellung, dass Muskeln plötzlich versagen könnten, löst Unsicherheit aus. Besonders gefürchtet ist die Schwäche der Atemmuskulatur. Es ist gut zu wissen, dass die meisten Menschen mit myasthenia gravis dank moderner Therapien heute ein weitgehend normales Leben führen können. Die Erkrankung ist zwar nicht heilbar, aber in vielen Fällen gut behandelbar.
Behandlungsmöglichkeiten und Alltagstipps
Die Therapie richtet sich nach der Schwere der Symptome. Am häufigsten werden Medikamente eingesetzt, die die Signalübertragung an der Muskelzelle verbessern. Dazu zählen sogenannte Acetylcholinesterasehemmer, die dafür sorgen, dass mehr Botenstoff zur Verfügung steht. In schwereren Fällen kommen Medikamente zum Einsatz, die das Immunsystem bremsen, etwa Kortison oder andere Immunsuppressiva. Bei einem Thymom wird die Thymusdrüse operativ entfernt, was bei manchen Betroffenen zu einer deutlichen Besserung führt.
Im Alltag helfen regelmäßige Pausen und eine gute Planung der Aktivitäten, um die Kräfte einzuteilen. Bei Problemen mit dem Schlucken kann es sinnvoll sein, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag zu verteilen und weiche Kost zu bevorzugen. Auch das Hochlagern des Kopfes beim Schlafen kann helfen, nächtliche Beschwerden zu lindern. Bei Infektionen oder geplanten Operationen sollte immer der behandelnde Arzt informiert werden, da manche Medikamente die Muskelschwäche verstärken können.
Leben mit der Erkrankung
Viele Menschen mit myasthenia gravis finden nach der Diagnose einen Weg, mit den Einschränkungen umzugehen. Der Austausch mit anderen Betroffenen, etwa in Selbsthilfegruppen, kann dabei unterstützen. Regelmäßige Kontrolluntersuchungen sind wichtig, um die Therapie optimal anzupassen und Nebenwirkungen rechtzeitig zu erkennen. Die Prognose ist heute deutlich besser als noch vor einigen Jahrzehnten. Mit der richtigen Behandlung und einer guten ärztlichen Begleitung bleibt die Lebensqualität in den meisten Fällen erhalten.