Das Gilbert-Meulengracht-Syndrom ist eine harmlose Stoffwechselbesonderheit, bei der der Körper das Abbauprodukt Bilirubin langsamer verarbeitet und deshalb gelegentlich eine Gelbfärbung der Haut oder Augen auftreten kann.
Was steckt hinter dem Begriff?
Das Gilbert-Meulengracht-Syndrom wird manchmal auch als Morbus Meulengracht oder einfach „Gilbert-Syndrom“ bezeichnet. Es handelt sich dabei nicht um eine Krankheit im klassischen Sinn, sondern um eine genetisch bedingte Besonderheit des Stoffwechsels. Das Blut enthält bei Betroffenen dauerhaft leicht erhöhte Werte von Bilirubin. Bilirubin entsteht beim Abbau von roten Blutkörperchen und wird normalerweise in der Leber weiterverarbeitet und ausgeschieden. Beim Gilbert-Meulengracht-Syndrom funktioniert ein bestimmtes Enzym in der Leber weniger effektiv. Dadurch bleibt das Bilirubin länger im Blut.
Wie zeigt sich das Gilbert-Meulengracht-Syndrom?
Viele Menschen mit dieser Besonderheit bemerken lange Zeit nichts davon. Erst unter bestimmten Umständen, etwa bei Stress, Fasten, körperlicher Belastung, Infekten oder nach Alkoholkonsum, kann es zu einer leichten Gelbfärbung der Haut oder der Augenweißen kommen. Dieser Zustand wird medizinisch als „Ikterus“ bezeichnet. Meist ist die Gelbfärbung nur schwach ausgeprägt und verschwindet nach einigen Tagen wieder von selbst.
Weitere Beschwerden treten in der Regel nicht auf. Manche Betroffene berichten über gelegentliche Müdigkeit oder Unwohlsein, doch ein direkter Zusammenhang ist wissenschaftlich nicht eindeutig belegt.
Ist das gefährlich?
Das Gilbert-Meulengracht-Syndrom gilt als vollkommen harmlos. Es führt nicht zu Leberschäden, schränkt die Lebenserwartung nicht ein und hat keine negativen Folgen für die Gesundheit. Auch das Risiko für andere Erkrankungen ist nicht erhöht. Die leicht erhöhten Bilirubinwerte sind für den Körper nicht schädlich.
Viele Menschen erfahren erst durch eine Blutuntersuchung beim Arzt von ihrem Syndrom, zum Beispiel wenn zufällig ein erhöhter Bilirubinwert festgestellt wird. Die Diagnose sorgt dann manchmal für Unsicherheit, vor allem, wenn im Arztbrief von „Hyperbilirubinämie“ oder „unkonjugiert erhöhtem Bilirubin“ die Rede ist. Diese Begriffe beschreiben aber nur, dass mehr Bilirubin im Blut vorliegt, nicht dass eine ernste Krankheit besteht.
Wie wird das Gilbert-Meulengracht-Syndrom festgestellt?
Meist fällt das Syndrom im Rahmen einer Routine-Blutuntersuchung auf, wenn die sogenannten Leberwerte bestimmt werden. Typisch ist, dass nur der Bilirubinwert erhöht ist, während andere Leberwerte im Normbereich bleiben. Die Ärztin oder der Arzt kann durch gezielte Fragen und weitere Laboruntersuchungen andere Ursachen für erhöhte Bilirubinwerte ausschließen. In seltenen Fällen wird zusätzlich ein Gentest durchgeführt, um die Diagnose zu bestätigen.
Eine aufwändige Diagnostik oder regelmäßige Kontrollen sind in der Regel nicht nötig, wenn keine weiteren Beschwerden bestehen.
Was bedeutet die Diagnose für den Alltag?
Wer das Gilbert-Meulengracht-Syndrom hat, muss den Alltag nicht umstellen oder besondere Vorsichtsmaßnahmen treffen. Die leichte Gelbfärbung der Haut oder Augen kann zwar irritieren, ist aber ungefährlich und geht von allein wieder weg. Es gibt keine Medikamente oder Therapien, die notwendig wären.
In besonderen Situationen – wie bei Operationen oder der Einnahme bestimmter Medikamente – sollte die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt über das Syndrom informiert werden. Manche Arzneimittel werden in der Leber durch das gleiche Enzym abgebaut, das beim Gilbert-Meulengracht-Syndrom weniger aktiv ist. In der Praxis führt das aber nur selten zu Problemen.
Was kann man selbst tun?
Wer weiß, dass er das Syndrom hat, kann darauf achten, starke Auslöser wie längeres Fasten, sehr intensiven Sport oder übermäßigen Alkoholkonsum zu vermeiden, wenn die Gelbfärbung stört. Auch Stress kann die Bilirubinwerte vorübergehend ansteigen lassen. Eine gesunde Lebensweise mit ausgewogener Ernährung, ausreichend Bewegung und genug Schlaf unterstützt die Leberfunktion zusätzlich.
Im Alltag ist es beruhigend zu wissen: Das Gilbert-Meulengracht-Syndrom ist weit verbreitet und betrifft etwa fünf bis zehn von hundert Menschen in Mitteleuropa. Es ist keine Krankheit, sondern eine harmlose Stoffwechselvariante, die keine Therapie erfordert und mit der man ganz normal leben kann.