Neuralgie – Ursachen, Symptome, Behandlung

Neuralgie – Ursachen, Symptome, Behandlung

28.09.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Was ist eine Neuralgie?

Eine Neuralgie ist ein medizinischer Begriff für Schmerzen, die ihren Ursprung in einem oder mehreren Nerven haben. Gemeint sind dabei meist brennende, stechende oder blitzartige Schmerzen, die entlang des Verlaufs eines bestimmten Nervs auftreten und oft sehr plötzlich einschießen können.

Wie entsteht eine Neuralgie?

Die Ursache liegt in einer Reizung oder Schädigung eines Nervs. Auslöser können sehr unterschiedlich sein:

  • Entzündungen, etwa nach einer Gürtelrose (Herpes zoster) – bis zu 20 % der Patient:innen entwickeln danach eine postzosterische Neuralgie.

  • Druck oder Verletzungen durch Bandscheibenvorfälle, Engstellen im Rückenmark oder Tumoren.

  • Stoffwechselstörungen wie Diabetes mellitus – rund 30–50 % der Diabetiker:innen entwickeln im Verlauf Nervenschmerzen.

  • Mechanische Belastungen (z. B. bei Interkostalneuralgie nach Rippenbrüchen oder Operationen).

  • In manchen Fällen bleibt die Ursache unklar, man spricht dann von einer idiopathischen Neuralgie.

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Typische Beschwerden und Verlauf

Charakteristisch für eine Neuralgie sind starke, oft blitzartig einschießende Schmerzen, die sich wie Stromstöße anfühlen können. Diese Schmerzen halten meist nur Sekunden bis wenige Minuten an, können sich jedoch mehrfach am Tag wiederholen. Häufig werden sie durch bestimmte Auslöser verstärkt – etwa Kauen, Sprechen, Bewegung oder sogar schon eine leichte Berührung der Haut im betroffenen Bereich. Neben den Schmerzen selbst kommt es manchmal zu Taubheitsgefühlen, Kribbeln oder einer Überempfindlichkeit der Haut.

Die Beschwerden können sehr belastend sein und die Lebensqualität stark einschränken. Viele Betroffene berichten, dass sie aus Angst vor einer erneuten Schmerzattacke bestimmte Bewegungen oder Aktivitäten vermeiden.

Wie wird eine Neuralgie diagnostiziert?

Um eine Neuralgie sicher zu erkennen und von anderen Ursachen für Schmerzen abzugrenzen, beginnt die Diagnostik mit einem ausführlichen Gespräch. Dabei fragt die Ärztin oder der Arzt gezielt nach dem Schmerzverlauf, möglichen Auslösern, Vorerkrankungen und Begleitsymptomen wie Kribbeln oder Taubheitsgefühlen. Anschließend folgt eine körperliche Untersuchung, bei der geprüft wird, welcher Bereich empfindlich reagiert und ob bestimmte Nerven direkt durch Druck reizbar sind. Je nach Art der Beschwerden und betroffener Körperregion können weitere Untersuchungen notwendig sein – etwa bildgebende Verfahren wie ein MRT oder eine CT, um Veränderungen an der Wirbelsäule, Entzündungen oder seltene Ursachen wie Tumore auszuschließen. In bestimmten Fällen kommen auch neurologische Tests zum Einsatz, bei denen die Funktion der Nerven überprüft wird, zum Beispiel durch eine Nervenleitgeschwindigkeitsmessung (ENG). Ziel der Diagnostik ist es, andere Erkrankungen auszuschließen und die genaue Ursache der Nervenschmerzen zu finden, um die Therapie gezielt darauf abzustimmen.

Ist eine Neuralgie gefährlich?

Eine Neuralgie ist zwar äußerst unangenehm und kann das tägliche Leben erheblich stören, sie ist aber in den allermeisten Fällen nicht lebensbedrohlich. Die Schmerzen entstehen durch eine Fehlleitung der Reizweiterleitung im Nervensystem, nicht durch eine direkte Schädigung von Organen. Trotzdem sollte eine länger anhaltende oder besonders heftige Neuralgie immer ärztlich abgeklärt werden. Dahinter können sich – selten – auch ernsthafte Ursachen wie Tumore, Entzündungen oder andere Erkrankungen verbergen, die gezielt behandelt werden müssen.

Behandlung – was hilft bei Neuralgie?

Die Therapie richtet sich nach der Ursache und der betroffenen Region.

Medikamente

Klassische Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol) wirken oft nur begrenzt. Besser helfen Medikamente, die gezielt die Nervenreizweiterleitung dämpfen:

  • Antikonvulsiva wie Carbamazepin oder Gabapentin sind besonders wirksam bei der sogenannten Trigeminusneuralgie

  • Antidepressiva wie Amitriptylin oder Duloxetin modulieren Schmerzsignale im Nervensystem und verändern den Schmerzcharakter

  • Bei akuten Entzündungen können Kortisonpräparate abschwellend und entzündungshemmend wirken

Interventionelle Verfahren

  • Nervenblockaden mit Lokalanästhetika oder Kortison können Schmerzen für Tage bis Wochen lindern.

  • Operationen: z. B. Dekompression beim Trigeminusnerv oder Verödung (Radiofrequenztherapie) einzelner Schmerzfasern, wenn Medikamente nicht ausreichen.

Physiotherapie und Alltag

  • Wärme- oder Kälteanwendungen können individuell helfen.

  • Physiotherapie unterstützt bei begleitenden Verspannungen und Fehlhaltungen.

  • Entspannungstechniken (z. B. progressive Muskelrelaxation) reduzieren Stress, der Schmerzattacken verstärken kann.

Was kann man selbst tun? – Hausmittel und Alltagstipps bei Neuralgie

Neben der ärztlichen Behandlung gibt es einige Maßnahmen, mit denen Betroffene die Beschwerden selbst lindern können. Wärme hilft vielen, die Muskulatur zu entspannen und den Nervendruck zu verringern – zum Beispiel durch Wärmflaschen, Kirschkernkissen oder warme Bäder. Bei manchen Neuralgien wirkt dagegen Kälte beruhigend, etwa durch Kühlpacks, die für wenige Minuten auf die schmerzende Stelle gelegt werden. Wichtig ist, immer auszuprobieren, was individuell besser hilft, und Hautkontakt mit extremer Hitze oder Kälte zu vermeiden.

Auch sanfte Massagen oder Lockerungsübungen können unterstützend wirken, wenn Verspannungen im Umfeld des betroffenen Nervs die Schmerzen verstärken. Entspannungsverfahren wie Atemübungen, Meditation oder Yoga helfen, Stress zu reduzieren – denn psychische Anspannung kann die Schmerzattacken verstärken. Eine ausgewogene Ernährung mit ausreichend Vitamin B12 und Omega-3-Fettsäuren unterstützt die Nervenfunktion zusätzlich.

Im Alltag ist es hilfreich, Schmerztrigger zu beobachten und zu vermeiden – etwa bestimmte Bewegungen, Druckstellen oder Kälte. Ein Schmerztagebuch kann dabei unterstützen, Muster zu erkennen. Auch wenn Hausmittel die Ursache nicht beheben können, verschaffen sie vielen Patient:innen spürbare Erleichterung und tragen zu einem aktiveren Alltag bei.

Fragen und Sorgen rund um das Thema Neuralgie

Viele Menschen fragen sich, ob die Schmerzen dauerhaft bleiben oder ob sie wieder verschwinden. Tatsächlich gibt es große Unterschiede: Bei manchen verschwindet die Neuralgie nach einiger Zeit von selbst oder mit der richtigen Behandlung. Andere Betroffene haben längere Zeit damit zu tun und benötigen eine längerfristige Betreuung.

Auch die Sorge, dass eine Neuralgie auf andere Körperbereiche übergreifen könnte, beschäftigt viele. In der Regel bleibt der Schmerz jedoch auf den betroffenen Nerv begrenzt. Ein weiteres häufiges Thema ist die Angst vor Nebenwirkungen der Medikamente. Hier gilt: Die meisten Mittel werden gut vertragen, manchmal dauert es aber ein wenig, bis die richtige Dosierung gefunden ist. Ein offenes Gespräch mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt hilft, die Therapie individuell anzupassen.

Formen der Neuralgie

Es gibt verschiedene Arten von Neuralgien, je nachdem, welcher Nerv betroffen ist. Besonders häufig sind die Trigeminusneuralgie im Gesicht, die Ischiasneuralgie im Bereich des unteren Rückens und Beins sowie die Interkostalneuralgie zwischen den Rippen. Jede Form hat ihre eigenen Besonderheiten, was die Symptome und die Behandlung betrifft.

Wann sollte ärztlicher Rat eingeholt werden?

Wenn die Schmerzen sehr stark sind, sich plötzlich verschlimmern oder von anderen Beschwerden wie Lähmungen, Fieber oder einer auffälligen Hautveränderung begleitet werden, ist eine rasche ärztliche Abklärung wichtig. Auch bei neu auftretenden, ungewohnten Schmerzen, die länger anhalten, empfiehlt es sich, die Ursache untersuchen zu lassen.

Eine Neuralgie ist zwar nicht immer gefährlich, aber sie kann ein Warnsignal für eine andere Erkrankung sein, die rechtzeitig erkannt werden sollte. Je früher die Ursache gefunden wird, desto besser lässt sich der Schmerz behandeln und die Lebensqualität verbessern.

Wissenschaftliche Quellen

  • Cruccu G, Finnerup NB, Jensen TS, Scholz J, Sindou M, Svensson P, et al. Trigeminal neuralgia: New classification and diagnostic grading for practice and research. Neurology. 2016;87(2):220–228. doi:10.1212/WNL.0000000000002840

  • Jensen TS, Finnerup NB. Allodynia and hyperalgesia in neuropathic pain: clinical manifestations and mechanisms. Lancet Neurol. 2014;13(9):924–935. doi:10.1016/S1474-4422(14)70102-4

  • Attal N, Bouhassira D, Baron R. Diagnosis and assessment of neuropathic pain through questionnaires. Lancet Neurol. 2018;17(5):456–466. doi:10.1016/S1474-4422(18)30071-1

  • Zakrzewska JM, Linskey ME. Trigeminal neuralgia. BMJ. 2014;348:g474. doi:10.1136/bmj.g474

  • Finnerup NB, Kuner R, Jensen TS. Neuropathic pain: from mechanisms to treatment. Physiol Rev. 2021;101(1):259–301. doi:10.1152/physrev.00045.2019

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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