Thalassämie ist eine erbliche Erkrankung des Blutes, bei der der Körper den roten Blutfarbstoff Hämoglobin nicht richtig bilden kann. Das führt dazu, dass die roten Blutkörperchen weniger Sauerstoff transportieren und schneller abgebaut werden als bei gesunden Menschen.
Was steckt hinter der Diagnose?
Der Name stammt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Mittelmeerblutkrankheit“, weil sie ursprünglich vor allem im Mittelmeerraum, in Nordafrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens verbreitet ist. Inzwischen kommt sie aber auch in anderen Regionen vor, da Menschen mit unterschiedlicher Herkunft heute überall leben. Hämoglobin ist der Stoff in den roten Blutkörperchen, der Sauerstoff aus der Lunge in den Körper bringt. Bei einer Thalassämie ist die Herstellung dieses Stoffs durch einen genetischen Defekt gestört. Die Folge: Die roten Blutkörperchen sind instabil, werden schneller abgebaut und können ihre Aufgabe nur eingeschränkt erfüllen.
Formen und Ausprägungen
Es gibt verschiedene Formen dieser Erkrankung, die sich danach unterscheiden, welcher Teil des Hämoglobins betroffen ist. Die beiden wichtigsten heißen Alpha-Thalassämie und Beta-Thalassämie. Je nachdem, wie viele Genveränderungen vorliegen, kann die Krankheit sehr unterschiedlich verlaufen. Manche Menschen haben nur eine leichte Veränderung und merken davon im Alltag kaum etwas. Andere hingegen leiden schon als Kinder unter einer schweren Blutarmut, die regelmäßig behandelt werden muss.
Viele erfahren erst durch eine Blutuntersuchung, dass sie Träger einer milden Form sind. Diese sogenannte Thalassämie minor verursacht meist keine oder nur sehr milde Beschwerden. Die schwere Form, Thalassämie major, zeigt sich oft schon im Kindesalter durch ausgeprägte Symptome.
Typische Beschwerden und mögliche Folgen
Die Symptome hängen stark vom Schweregrad ab. Bei einer milden Variante treten oft gar keine Beschwerden auf. In schwereren Fällen kommt es zu einer Blutarmut, auch Anämie genannt. Das kann sich durch Müdigkeit, Blässe, Kurzatmigkeit, Konzentrationsprobleme oder eine erhöhte Infektanfälligkeit bemerkbar machen. Mit der Zeit kann sich die Milz vergrößern, weil sie die vielen abgebauten Blutkörperchen entsorgen muss. Auch das Wachstum und die Entwicklung von Kindern kann beeinträchtigt werden, wenn der Körper dauerhaft unterversorgt ist.
Unbehandelt kann eine schwere Thalassämie zu ernsthaften Komplikationen führen, etwa zu Knochenschäden, Herzproblemen oder einer Überladung des Körpers mit Eisen. Das liegt daran, dass bei häufigen Bluttransfusionen überschüssiges Eisen im Gewebe abgelagert wird.
Ist das gefährlich?
Die Diagnose löst häufig Unsicherheit aus. Viele fragen sich: Wie schlimm ist das wirklich? Muss ich mit schweren Folgen rechnen? Die Antwort hängt von der Form der Erkrankung ab. Eine leichte Thalassämie bleibt oft lebenslang ohne größere Auswirkungen. Betroffene können ein ganz normales Leben führen und müssen meist keine spezielle Behandlung erhalten.
Die schwere Form kann jedoch ohne ärztliche Unterstützung lebensbedrohlich sein. Dank moderner Therapien und regelmäßiger Kontrollen ist die Lebenserwartung heute aber deutlich gestiegen. Die meisten Kinder mit Thalassämie major erreichen das Erwachsenenalter und können ein erfülltes Leben führen. Entscheidend ist, die Erkrankung früh zu erkennen und konsequent zu behandeln.
Behandlungsmöglichkeiten und Leben mit der Krankheit
Die Behandlung richtet sich nach dem Schweregrad. Bei leichten Formen ist meist keine Therapie nötig. Regelmäßige Blutkontrollen reichen aus, um Veränderungen frühzeitig zu bemerken. In schweren Fällen sind regelmäßige Bluttransfusionen notwendig, um die Zahl der gesunden roten Blutkörperchen zu erhöhen. Um die damit verbundene Eisenüberladung zu verhindern, erhalten Betroffene Medikamente, die überschüssiges Eisen aus dem Körper ausleiten.
Manchmal kann eine Stammzelltransplantation helfen, die Krankheit dauerhaft zu heilen. Das ist aber ein aufwendiger Eingriff, der nur unter bestimmten Voraussetzungen infrage kommt. Eine gute medizinische Betreuung, eine ausgewogene Ernährung und ein bewusster Umgang mit Belastungen sind für viele wichtig, um den Alltag gut zu meistern.
Was bedeutet die Diagnose für den Alltag?
Viele sorgen sich, ob sie ihren Alltag einschränken müssen oder was die Diagnose für die Familienplanung bedeutet. Bei einer milden Form ist das Leben kaum beeinträchtigt. Sport, Beruf und Freizeit sind meist ohne Einschränkungen möglich. Bei der schweren Variante spielen regelmäßige Arztbesuche und Therapien eine große Rolle. Es kann sinnvoll sein, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen oder spezialisierte Beratungsstellen in Anspruch zu nehmen.
Wer Träger der Genveränderung ist, gibt diese mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit an die eigenen Kinder weiter. Vor einer Schwangerschaft kann eine genetische Beratung helfen, das persönliche Risiko besser einzuschätzen.
Zusammengefasst
Thalassämie ist eine angeborene Störung der Blutbildung, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein kann. Während viele kaum etwas davon merken, benötigen andere eine lebenslange medizinische Betreuung. Entscheidend ist, die Erkrankung zu kennen, zu verstehen und bei Bedarf gezielt zu behandeln. Moderne Therapien ermöglichen heute ein weitgehend normales Leben – mit der richtigen Unterstützung und regelmäßigen Kontrollen.
Wissenschaftliche Quellen
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