Sichelzellanämie – Leben mit der Erkrankung

Sichelzellanämie – Leben mit der Erkrankung

05.11.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Sichelzellanämie ist eine angeborene Erkrankung des Blutes, bei der die roten Blutkörperchen eine untypische, sichelförmige Gestalt annehmen und dadurch ihre normale Funktion einschränken.

Was steckt hinter der Sichelzellkrankheit?

Im gesunden Zustand sind rote Blutkörperchen rund und flexibel. Sie transportieren Sauerstoff durch den Körper und passen sich dabei auch engen Blutgefäßen gut an. Bei der Sichelzellanämie verändert sich jedoch die Form dieser Zellen: Sie werden länglich, gebogen und erinnern an eine Sichel. Ursache dafür ist eine genetische Veränderung, die das Hämoglobin betrifft. Das ist das Protein, das Sauerstoff bindet und durch den Körper transportiert.

Durch die veränderte Struktur verklumpen die Zellen leichter und bleiben in kleinen Blutgefäßen stecken. Das kann dazu führen, dass bestimmte Körperregionen schlechter durchblutet werden und nicht genug Sauerstoff erhalten. Die Folge sind Schmerzen, Organschäden oder andere gesundheitliche Probleme.

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Wer ist betroffen und wie wird die Krankheit vererbt?

Sichelzellanämie tritt vor allem bei Menschen auf, deren familiäre Wurzeln in Afrika, dem Mittelmeerraum, im Nahen Osten, in Südamerika oder Indien liegen. Die Erkrankung wird durch eine Veränderung im Erbgut ausgelöst und von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Beide Elternteile müssen das veränderte Gen tragen, damit das Kind die Krankheit bekommt. Trägt nur ein Elternteil das veränderte Gen, spricht man von einer sogenannten Sichelzelltrait. Diese Menschen sind meist gesund, können das Gen aber weitervererben.

Welche Beschwerden können auftreten?

Die Symptome der Sichelzellanämie sind sehr unterschiedlich und hängen davon ab, wie stark die roten Blutkörperchen betroffen sind. Häufig kommt es zu sogenannten „Krisen“: Plötzliche, starke Schmerzen, meist in Knochen, Bauch oder Brust, weil die verformten Zellen kleine Gefäße verstopfen. Diese Schmerzkrisen können Stunden bis Tage andauern und sind oft der Grund, warum Betroffene ärztliche Hilfe suchen.

Neben den Schmerzen kann es zu einer chronischen Blutarmut kommen. Das zeigt sich in Müdigkeit, Blässe, Konzentrationsproblemen oder Kurzatmigkeit. Die Organe werden nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt, was langfristig zu Schäden an Herz, Nieren, Milz oder Gehirn führen kann. Auch das Risiko für Infektionen ist erhöht, weil die Milz, ein wichtiges Organ der Immunabwehr, durch die Krankheit geschwächt wird.

Ist Sichelzellanämie gefährlich?

Viele Menschen machen sich große Sorgen, wenn sie oder ihr Kind die Diagnose Sichelzellanämie erhalten. Die Krankheit kann ernst verlaufen und ist nicht heilbar, aber die Lebenserwartung und Lebensqualität haben sich durch medizinische Fortschritte in den letzten Jahrzehnten deutlich verbessert. Besonders in Ländern mit guter medizinischer Versorgung gibt es heute viele Möglichkeiten, Beschwerden zu lindern und Komplikationen vorzubeugen.

Wichtig ist, die Krankheit früh zu erkennen und regelmäßig ärztlich kontrollieren zu lassen. So lassen sich Krisen oft verhindern oder schnell behandeln, bevor schwere Folgen entstehen. Viele Betroffene führen mit der richtigen Unterstützung ein weitgehend normales Leben.

Wie wird Sichelzellanämie festgestellt?

Die Diagnose erfolgt meist durch eine Blutuntersuchung. Dabei werden die Form der roten Blutkörperchen und das Hämoglobin genauer betrachtet. Es gibt spezielle Tests, mit denen die veränderten Gene nachgewiesen werden können. In manchen Ländern gehört das Screening auf Sichelzellanämie sogar zur Routineuntersuchung bei Neugeborenen.

Behandlungsmöglichkeiten und Alltag mit der Erkrankung

Eine vollständige Heilung ist bislang nur durch eine Stammzelltransplantation möglich, die aber mit Risiken verbunden ist und nicht für alle infrage kommt. Die Behandlung zielt deshalb darauf ab, Beschwerden zu lindern und Komplikationen zu vermeiden. Dazu gehören schmerzlindernde Medikamente, ausreichend Flüssigkeit, Impfungen gegen Infektionen und regelmäßige ärztliche Kontrollen.

Manchmal werden blutbildende Medikamente verschrieben, die die Bildung gesunder roter Blutkörperchen anregen. In schweren Fällen kann eine Bluttransfusion notwendig sein, um den Sauerstofftransport zu verbessern. Auch das Vermeiden von Auslösern für Schmerzkrisen – wie starke körperliche Belastung, Kälte oder Flüssigkeitsmangel – spielt eine wichtige Rolle im Alltag.

Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten

Die Diagnose Sichelzellanämie wirft viele Fragen auf: Wie sieht die Zukunft aus? Was passiert bei einer Krise? Kann die Krankheit vererbt werden? Diese Unsicherheiten sind verständlich. Es hilft, sich mit dem eigenen Krankheitsbild auseinanderzusetzen, Fragen mit der Ärztin oder dem Arzt zu besprechen und sich gegebenenfalls einer Selbsthilfegruppe anzuschließen.

Mit guter medizinischer Betreuung, Wissen über die Erkrankung und einem angepassten Lebensstil lassen sich viele Probleme vermeiden. Auch wenn die Krankheit nicht heilbar ist, gibt es zahlreiche Möglichkeiten, das Leben aktiv und selbstbestimmt zu gestalten.

Wissenschaftliche Quellen

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BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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