Sepsis: Wenn das Immunsystem außer Kontrolle gerät

Sepsis: Wenn das Immunsystem außer Kontrolle gerät

02.11.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Eine Sepsis ist eine schwere, oft lebensbedrohliche Reaktion des Körpers auf eine Infektion, bei der das Immunsystem außer Kontrolle gerät und nicht nur Krankheitserreger, sondern auch körpereigenes Gewebe angreift.

Was steckt hinter dem Begriff?

Im Volksmund wird Sepsis manchmal als „Blutvergiftung“ bezeichnet. Genau genommen handelt es sich dabei aber nicht um Gift im Blut, sondern um eine massive, fehlgeleitete Abwehrreaktion des Körpers. Normalerweise bekämpft das Immunsystem Bakterien, Viren oder Pilze gezielt und kontrolliert. Bei einer Sepsis jedoch geraten die Abwehrmechanismen völlig aus dem Gleichgewicht. Es kommt zu einer Art Kettenreaktion: Die Entzündung breitet sich im ganzen Körper aus, Organe können dabei geschädigt werden.

Die Ursache ist fast immer eine Infektion, etwa durch eine Lungenentzündung, eine Harnwegsinfektion, eine infizierte Wunde oder einen entzündeten Zahn. Gelangen die Erreger oder ihre Gifte in den Blutkreislauf, kann sich die Entzündungsreaktion auf den gesamten Organismus ausweiten.

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Woran erkennt man eine Sepsis?

Die Symptome einer Sepsis sind oft unspezifisch und können anfangs leicht mit einer normalen Infektion verwechselt werden. Typisch sind plötzliches hohes Fieber, Schüttelfrost, eine sehr schnelle Atmung oder ein beschleunigter Herzschlag. Die Haut kann blass, fleckig oder sogar bläulich wirken. Viele Betroffene fühlen sich extrem schwach, verwirrt oder benommen. Im weiteren Verlauf können wichtige Organe wie Nieren, Leber oder Herz in ihrer Funktion beeinträchtigt werden. Unbehandelt droht ein sogenannter septischer Schock. Dabei fällt der Blutdruck stark ab, die Durchblutung bricht ein und Organe versagen.

Gerade weil die Anzeichen so unscheinbar sein können, wird die Erkrankung manchmal zu spät erkannt. Besonders gefährdet sind ältere Menschen, Menschen mit geschwächtem Immunsystem, kleine Kinder oder Patientinnen und Patienten nach größeren Operationen.

Ist eine Sepsis gefährlich?

Eine Sepsis zählt zu den medizinischen Notfällen. Ohne rasche Behandlung kann sie innerhalb weniger Stunden lebensbedrohlich werden. Die Sterblichkeit ist hoch, vor allem wenn wichtige Organe versagen. Viele Menschen sorgen sich daher, wenn sie den Begriff in einem Arztbrief oder Befund lesen. Die Angst, dass eine Sepsis immer tödlich endet, ist jedoch unbegründet – vorausgesetzt, sie wird frühzeitig erkannt und behandelt.

Häufig taucht die Frage auf, wie groß das Risiko für bleibende Schäden ist. Tatsächlich kann eine schwere Sepsis Spuren hinterlassen: Manche Betroffene leiden nach überstandener Erkrankung unter Schwäche, Konzentrationsproblemen oder Nervenschäden. Andere erholen sich vollständig. Entscheidend ist, wie schnell die Behandlung beginnt und wie stark die Organe betroffen waren.

Wie sieht die Behandlung aus?

Bei einer Sepsis zählt jede Minute. Sobald der Verdacht besteht, beginnt die Therapie sofort im Krankenhaus, meist auf einer Intensivstation. Zunächst werden Antibiotika oder andere gezielte Medikamente gegen die Erreger verabreicht. Parallel erhalten Betroffene Infusionen, um den Kreislauf zu stabilisieren, und oft auch Sauerstoff. Falls nötig, werden Organe wie die Nieren durch spezielle Geräte unterstützt. Ziel ist es, die Infektion zu stoppen und die überschießende Entzündungsreaktion zu bremsen.

Manchmal muss die ursprüngliche Infektionsquelle entfernt werden – zum Beispiel durch das Reinigen einer Wunde oder das Entfernen eines infizierten Katheters. Die Behandlung ist individuell und hängt davon ab, wie schwer die Sepsis ausgeprägt ist und welche Organe betroffen sind.

Was bedeutet die Diagnose für das weitere Leben?

Die Diagnose Sepsis ist ein Schock, doch sie ist kein Todesurteil. Viele Menschen erholen sich nach einer überstandenen Sepsis wieder vollständig. Allerdings kann es einige Zeit dauern, bis Kraft und Leistungsfähigkeit zurückkehren. Manchmal bleiben körperliche oder seelische Folgen, die Zeit und Unterstützung brauchen. Es ist wichtig, sich nicht unter Druck zu setzen und Hilfe anzunehmen, etwa durch Reha-Maßnahmen oder psychosoziale Angebote.

Wer eine Sepsis überstanden hat, fragt sich oft, ob die Erkrankung wieder auftreten kann. Das Risiko ist nicht grundsätzlich erhöht, aber es lohnt sich, auf Infektionszeichen zu achten und bei Unsicherheiten frühzeitig medizinischen Rat einzuholen.

Wie kann man einer Sepsis vorbeugen?

Die beste Vorbeugung ist, Infektionen möglichst zu vermeiden oder frühzeitig zu behandeln. Dazu gehört gründliche Händehygiene, das rechtzeitige Versorgen von Wunden und das Ernstnehmen von Krankheitssymptomen. Impfungen, etwa gegen Grippe oder Lungenentzündung, können das Risiko für schwere Infektionen senken. Besonders bei Menschen mit chronischen Erkrankungen oder geschwächtem Immunsystem ist es wichtig, auf Warnzeichen zu achten und im Zweifel lieber einmal zu viel als zu wenig zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen.

Eine Sepsis ist immer ein medizinischer Notfall, je früher sie erkannt wird, desto besser sind die Heilungschancen. Die moderne Medizin hat in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht, sodass viele Betroffene heute wieder gesund werden können.

Wissenschaftliche Quellen

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Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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