Konversionsstörung: Alarm ohne Befund

Konversionsstörung: Alarm ohne Befund

PD Dr. med. Witold Polanski

Eine Konversionsstörung ist eine psychische Erkrankung, bei der körperliche Beschwerden auftreten, die sich nicht durch eine organische Ursache erklären lassen, sondern mit seelischen Belastungen oder Konflikten zusammenhängen.

Wenn der Körper Signale sendet

Manchmal zeigt der Körper Symptome, für die sich trotz genauer Untersuchungen keine medizinische Erklärung findet. Typisch sind dabei Lähmungen, Krampfanfälle, Taubheitsgefühle, Bewegungsstörungen oder auch Sehstörungen. Diese Beschwerden wirken auf den ersten Blick wie eine körperliche Erkrankung, etwa ein Schlaganfall oder eine Epilepsie. Bei einer Konversionsstörung – manchmal auch als Konversionssyndrom oder dissoziative Störung bezeichnet – lassen sich jedoch keine organischen Ursachen nachweisen. Stattdessen steht im Hintergrund oft eine starke psychische Belastung oder ein ungelöster innerer Konflikt.

Der Begriff stammt ursprünglich aus der Psychoanalyse. Er beschreibt die Vorstellung, dass seelische Spannungen „umgewandelt“ werden und sich dann in körperlichen Symptomen zeigen. Diese Umwandlung geschieht unbewusst, also nicht absichtlich oder „gespielt“. Die Beschwerden sind für die betroffene Person real und können sehr belastend sein.

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Typische Symptome und Erscheinungsformen

Konversionsstörungen können sich ganz unterschiedlich äußern. Häufig treten plötzlich Lähmungen an Armen oder Beinen auf, ohne dass eine Schädigung von Nerven oder Muskeln vorliegt. Auch Sprachstörungen, Schluckbeschwerden, Zittern, Gleichgewichtsstörungen oder ein Verlust des Seh- oder Hörvermögens gehören dazu. In manchen Fällen kommt es zu Anfällen, die epileptisch wirken, aber bei denen im EEG keine Auffälligkeiten zu finden sind.

Das Besondere: Die Beschwerden passen oft nicht genau zu bekannten Krankheitsbildern. Sie verändern sich manchmal je nach Situation oder verschwinden vorübergehend, um dann wieder aufzutreten. Medizinische Tests und Untersuchungen bleiben meist ohne Befund.

Was bedeutet das für den Alltag?

Eine Konversionsstörung kann das Leben stark beeinflussen. Die körperlichen Beschwerden sind oft so ausgeprägt, dass alltägliche Tätigkeiten schwerfallen oder gar nicht mehr möglich sind. Das kann zu Unsicherheit führen, vor allem wenn die Ursache lange unklar bleibt. Viele Menschen machen sich Sorgen, ob eine ernste neurologische Erkrankung vorliegt oder ob die Symptome vielleicht doch „eingebildet“ sind.

Wichtig zu wissen: Die Beschwerden sind nicht willentlich herbeigeführt. Sie entstehen nicht aus Absicht oder Täuschung, sondern sind Ausdruck einer unbewussten seelischen Notlage. Das kann für Außenstehende schwer verständlich sein, sorgt aber oft für Entlastung, wenn es endlich eine Erklärung gibt.

Ist eine Konversionsstörung gefährlich?

Die Symptome einer Konversionsstörung wirken oft dramatisch, sind aber in den meisten Fällen nicht lebensbedrohlich. Dennoch können sie den Alltag massiv beeinträchtigen und zu sozialem Rückzug, Arbeitsunfähigkeit oder Ängsten führen. Besonders belastend ist häufig die Ungewissheit: Viele Menschen fragen sich, ob nicht doch eine „richtige“ Krankheit übersehen wurde oder ob die Beschwerden jemals wieder verschwinden.

Manchmal entsteht auch die Sorge, nicht ernst genommen zu werden. Das Gefühl, „alles sei nur psychisch“, kann als abwertend empfunden werden. Dabei ist eine Konversionsstörung eine ernstzunehmende Erkrankung, die behandelt werden sollte.

Wie wird die Diagnose gestellt?

Die Diagnose einer Konversionsstörung stellt eine Ärztin oder ein Arzt meist erst dann, wenn alle anderen körperlichen Ursachen sorgfältig ausgeschlossen wurden. Häufig sind dazu zahlreiche Untersuchungen nötig – neurologische Tests, bildgebende Verfahren wie MRT oder CT und manchmal auch Laboruntersuchungen. Erst wenn sich dabei keine Hinweise auf eine organische Erkrankung finden und die Beschwerden in Zusammenhang mit einer seelischen Belastung stehen, wird an eine Konversionsstörung gedacht.

Das Gespräch mit einer psychiatrischen oder psychosomatischen Fachperson ist dabei besonders wichtig. Gemeinsam wird nach möglichen Auslösern gesucht – etwa Stress, Konflikte, traumatische Erlebnisse oder andere psychische Belastungen.

Behandlungsmöglichkeiten und Wege zur Besserung

Die Behandlung einer Konversionsstörung richtet sich nach den individuellen Beschwerden und der persönlichen Lebenssituation. Im Mittelpunkt steht meist die Psychotherapie. Ziel ist es, die zugrundeliegenden seelischen Konflikte zu erkennen und zu bearbeiten. Besonders hilfreich können dabei Methoden wie die kognitive Verhaltenstherapie oder tiefenpsychologisch fundierte Gespräche sein.

Unterstützend werden oft auch physiotherapeutische Maßnahmen eingesetzt, um die Beweglichkeit zu fördern und das Vertrauen in den eigenen Körper wiederherzustellen. In manchen Fällen helfen Entspannungsverfahren, Stressbewältigungstraining oder die Einbindung von Angehörigen. Medikamente spielen nur eine untergeordnete Rolle und werden in der Regel nur eingesetzt, wenn zusätzlich eine Depression oder Angststörung vorliegt.

Die Prognose ist sehr unterschiedlich: Bei vielen Betroffenen bessern sich die Symptome im Laufe der Zeit deutlich, besonders wenn frühzeitig eine passende Therapie begonnen wird. Manchmal dauert es jedoch länger, bis die Beschwerden zurückgehen.

Umgang mit Ängsten und Unsicherheiten

Viele Menschen mit einer Konversionsstörung fragen sich, ob sie „verrückt“ sind oder ob die Symptome jemals wieder verschwinden. Diese Sorgen sind verständlich, aber unbegründet. Eine Konversionsstörung ist keine Persönlichkeitsstörung und bedeutet nicht, dass man die Kontrolle über sich selbst verliert. Die Beschwerden sind Ausdruck einer seelischen Überforderung und können jede und jeden treffen – unabhängig von Alter, Geschlecht oder Lebenssituation.

Offenheit gegenüber der eigenen Situation und das Annehmen von Hilfe sind wichtige Schritte auf dem Weg zur Besserung. Auch das Gespräch mit vertrauten Personen oder der Austausch mit anderen Betroffenen kann entlasten.

Was hilft im Alltag?

Es kann hilfreich sein, sich nicht zu sehr auf die Symptome zu konzentrieren, sondern kleine, erreichbare Ziele im Alltag zu setzen. Bewegung, soziale Kontakte und das Pflegen von Hobbys unterstützen die Genesung. Regelmäßige Gespräche mit Fachpersonen geben Sicherheit und Orientierung.

Wichtig ist, Geduld zu haben und sich selbst nicht unter Druck zu setzen. Die Heilung einer Konversionsstörung braucht Zeit – doch mit der richtigen Unterstützung sind die Aussichten auf Besserung gut.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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