Wann taucht die Abkürzung ISG auf?
In medizinischen Arztbriefen, Befunden oder Röntgenberichten wird der Begriff ISG häufig verwendet, um auf diesen speziellen Bereich im Becken hinzuweisen. Oft findet sich dort zum Beispiel eine Formulierung wie „ISG unauffällig“ – das bedeutet, dass im Iliosakralgelenk keine auffälligen oder krankhaften Veränderungen festgestellt wurden. Manchmal steht dort auch ein Hinweis wie „ISG-Arthrose“ oder „ISG-Blockade“, wenn an diesem Gelenk Abnutzungserscheinungen oder Funktionsstörungen vorliegen. Erst in Verbindung mit solchen zusätzlichen Begriffen wird also deutlich, dass tatsächlich eine Erkrankung oder Störung am Iliosakralgelenk besteht. Ohne diese Zusätze handelt es sich lediglich um die anatomische Angabe der Lage im Becken.
Mögliche Beschwerden im Bereich des ISG
Typisch sind tief sitzende, oft einseitige Kreuzschmerzen knapp über dem Gesäß, teils mit Ausstrahlung ins Gesäß oder seitlich in den Oberschenkel. Viele berichten eine Verschlimmerung bei langem Stehen, Treppensteigen oder Aufstehen nach Sitzen; Vorbeugen/Liegen kann entlasten. Häufig lässt sich ein punktgenauer Druckschmerz über dem betroffenen Gelenk auslösen.
Wie kann man ISG-Schmerzen von anderen Rückenschmerzen unterscheiden?
Rückenschmerzen können viele Ursachen haben – vom Muskelverspannungen bis hin zu Bandscheibenproblemen. Wenn jedoch das Iliosakralgelenk betroffen ist, gibt es einige typische Merkmale:
Lokalisation:
Der Schmerz sitzt tief im unteren Rücken, meist einseitig, direkt über dem Gelenk zwischen Kreuzbein und Becken. Viele zeigen mit dem Finger auf die „Grübchen“ links oder rechts neben der Wirbelsäule.
Ausstrahlung:
Die Beschwerden können ins Gesäß oder seitlich in den Oberschenkel ziehen, selten jedoch bis in den Fuß. Das unterscheidet ISG-Schmerzen oft von Bandscheibenproblemen, die eher bis ins Bein ausstrahlen und mit Kribbeln oder Taubheit verbunden sein können.
Bewegungsabhängigkeit:
Typisch ist, dass bestimmte Bewegungen den Schmerz verstärken – etwa langes Stehen, Treppensteigen oder das Aufstehen nach längerem Sitzen. Beim Vorbeugen oder Liegen können die Beschwerden dagegen nachlassen.
Druckschmerz:
Ärzt:innen können durch gezielten Druck über dem Gelenk die Schmerzen oft auslösen oder verstärken.
Diese Hinweise sind für Betroffene hilfreich, ersetzen aber keine ärztliche Untersuchung. Gerade weil sich ISG-Beschwerden mit anderen Ursachen überschneiden können, ist eine genaue Abklärung sinnvoll.
Mögliche Ursachen einer ISG-Störung
Die Ursachen für Beschwerden im Bereich des ISG sind vielfältig. Oft spielen Fehlbelastungen und ungünstige Haltungen eine Rolle – zum Beispiel durch langes Sitzen in gebeugter Haltung oder einseitige Belastungen im Beruf (etwa immer auf derselben Seite heben oder tragen). Auch Verletzungen (z. B. ein Sturz auf das Steißbein) oder eine plötzliche ruckartige Bewegung können eine ISG-Blockade auslösen. Mitunter reicht schon ein unerwarteter Fehltritt oder ein Schritt ins Leere, um das empfindliche Gelenk aus seiner normalen Position zu bringen. Weitere mögliche Auslöser sind Überlastung durch intensiven Sport oder schwere körperliche Arbeit sowie Verschleißerscheinungen (Arthrose) im Gelenk bei älteren oder stark beanspruchten Personen. Sogar Entzündungen können im ISG auftreten – etwa im Rahmen von rheumatischen Erkrankungen (dann spricht man von Sakroiliitis, einer Entzündung des Iliosakralgelenks).
Bei Frauen kommt während Schwangerschaft und Geburt noch ein besonderer Aspekt hinzu: Durch die veränderte Statik und Lockerung der Bänder im Becken kann es in der Schwangerschaft vermehrt zu ISG-Problemen kommen . Das Gelenk wird durch die hormonelle Auflockerung etwas beweglicher, was einerseits für die Geburt wichtig ist, andererseits aber temporär zu Instabilität führen kann. Nach der Geburt normalisiert sich dies meistens wieder.
Zusammengefasst können also viele Alltagsfaktoren sowie körperliche Veränderungen das ISG beanspruchen. Oft ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren (z. B. leichte Fehlstellung + muskuläre Verspannung), das letztlich die Beschwerden hervorruft.
Wie stellt die Ärztin oder der Arzt die Diagnose?
Weil Rückenschmerzen viele Ursachen haben können, ist eine genaue Abklärung wichtig. Ärzt:innen beginnen meist mit einem Gespräch über die Beschwerden:
Wann sind die Schmerzen aufgetreten, in welchen Situationen verstärken oder bessern sie sich, und wo genau werden sie gespürt?
Im Anschluss folgt eine körperliche Untersuchung. Dabei testen Ärzt:innen gezielt das Iliosakralgelenk mit bestimmten Handgriffen, sogenannten Provokationstests. Durch Druck oder leichte Bewegungen lässt sich herausfinden, ob die Schmerzen tatsächlich aus dem ISG stammen.
In vielen Fällen reichen diese Untersuchungen schon aus, um die Diagnose zu stellen. Bildgebende Verfahren wie Röntgen oder MRT werden nur dann eingesetzt, wenn der Verdacht auf andere Ursachen besteht – zum Beispiel auf eine Bandscheibenerkrankung, Arthrose oder eine entzündliche Erkrankung.
Wichtig zu wissen: Oft handelt es sich beim ISG-Syndrom um eine Ausschlussdiagnose. Das bedeutet, dass andere Ursachen für Rückenschmerzen ausgeschlossen werden, bevor man die Beschwerden dem Iliosakralgelenk zuordnet.
Verlauf und Prognose bei ISG-Beschwerden
Ein ISG-Syndrom verläuft in den meisten Fällen gutartig und bessert sich innerhalb weniger Tage bis Wochen. Gerade wenn die Ursache eine akute Blockade oder eine vorübergehende Überlastung war, verschwinden die Schmerzen oft schon nach kurzer Zeit.
Allerdings ist das ISG ein Gelenk, das immer wieder Probleme bereiten kann. Manche Betroffene erleben wiederkehrende Phasen mit ähnlichen Schmerzen, besonders wenn die auslösenden Faktoren bestehen bleiben.
Von einer chronischen Verlaufsform spricht man, wenn die Beschwerden länger als drei Monate anhalten oder regelmäßig zurückkehren. In solchen Fällen ist es wichtig, gezielt an den Ursachen zu arbeiten, z. B. mit kräftigenden Übungen, Haltungsschulung und Lebensstilanpassungen, um Rückfälle zu vermeiden.
Die Prognose ist insgesamt günstig: Mit der richtigen Behandlung und etwas Geduld gelingt es den meisten, ihre Beschwerden deutlich zu reduzieren und langfristig besser mit dem ISG umzugehen. Nur in seltenen Fällen entwickelt sich eine dauerhafte Instabilität oder eine Arthrose, die stärkere Maßnahmen erfordert.
Was tun bei ISG-Beschwerden?
Wenn das Iliosakralgelenk Schmerzen verursacht, gibt es zum Glück verschiedene Behandlungsmöglichkeiten, die meistens ohne Operation auskommen. Im Vordergrund stehen konservative Maßnahmen, also schonende Behandlungen. Dazu zählen vor allem:
Physiotherapie und Bewegung:
Gezielte physiotherapeutische Übungen helfen, die umliegende Muskulatur zu stärken und Verspannungen zu lösen. Durch spezielle Mobilisations- und Dehnübungen kann ein blockiertes ISG oft wieder beweglich gemacht werden. Auch Zuhause können Betroffene mit Anleitungen einfache Übungen durchführen, um das Gelenk zu mobilisieren und die Stabilität zu verbessern. Wichtig ist, sich kontrolliert zu bewegen – längere strikte Schonhaltung oder Bettruhe ist meist kontraproduktiv, da die Muskeln sonst weiter abschwächen.
Wärmeanwendungen:
Viele Patienten empfinden Wärme als angenehm, wenn das ISG schmerzt. Ein warmes Bad, eine Wärmflasche im unteren Rücken oder Wärmepflaster können die Durchblutung fördern, die Muskulatur entspannen und dadurch den Schmerz lindern . Kälte wird in diesem Bereich dagegen seltener als angenehm beschrieben, da es sich häufig nicht um eine akute Entzündung, sondern um eine Verspannung oder Blockade handelt – Wärme ist hier meist hilfreicher.
Manuelle Therapie:
Speziell geschulte Physiotherapeutinnen oder Ärztinnen (mit Ausbildung in Chirotherapie) können mit manuellen Techniken oft eine ISG-Blockade lösen. Durch bestimmte Handgriffe und dosierten Druck lässt sich das blockierte Gelenk wieder einrenken bzw. in die richtige Position bewegen . Diese Manipulation des Iliosakralgelenks geht meist schnell und der Effekt ist oft sofort spürbar: Die Beweglichkeit verbessert sich und der Schmerz lässt nach. Solche Eingriffe sollten jedoch nur von Fachleuten durchgeführt werden.
Medikamente und Injektionen:
Bei starken Schmerzen können vorübergehend schmerzlindernde und entzündungshemmende Medikamente (z. B. Ibuprofen oder Diclofenac) eingesetzt werden. Diese bekämpfen Symptome wie Schmerz und Entzündung, beheben aber nicht direkt die Ursache. In hartnäckigen Fällen kann derdie ArztÄrztin auch eine Injektion (Spritze) direkt am Iliosakralgelenk vornehmen, oft mit einem Lokalanästhetikum und Kortison. Diese Injektionen – manchmal ISG-Blockade oder Infiltration genannt – können die Entzündung rund um das Gelenk reduzieren und so für mehrere Wochen Schmerzfreiheit sorgen.
Kurzfristige Entlastung:
Bei akuten ISG-Schmerzen ist es sinnvoll, starke Belastungen zu vermeiden und einige Tage kürzer zu treten. Das heißt jedoch nicht, komplett immobil zu bleiben – leichte Bewegung ist wichtig, aber alles Schmerzhafte sollte zunächst gemieden werden. Manchmal helfen auch einfache Entlastungspositionen (etwa in Rückenlage mit angewinkelten Beinen), um akute Schmerzen abklingen zu lassen.
Eine Operation am ISG ist nur sehr selten notwendig. Sie kommt praktisch nur in Frage, wenn über lange Zeit trotz aller genannten Maßnahmen weiterhin stärkste Schmerzen bestehen und die Lebensqualität stark eingeschränkt ist. Dann kann in Spezialfällen eine Versteifung des Iliosakralgelenks (ISG-Fusion) erwogen werden, bei der das Gelenk chirurgisch fixiert wird. Dies ist jedoch der letzte Schritt und bei den meisten Patient*innen nicht erforderlich. Für die allermeisten Betroffenen lässt sich ein ISG-Syndrom mit der Kombination aus Bewegung, gezieltem Training, physikalischer Therapie und etwas Geduld gut in den Griff bekommen. Viele spüren schon nach einigen Tagen bis Wochen eine deutliche Besserung.
Wann solltest du ärztliche Hilfe suchen?
Leichte ISG-Beschwerden verschwinden oft innerhalb weniger Tage, besonders wenn du dich schonst, Wärme anwendest und dich vorsichtig bewegst. Manchmal sind die Schmerzen aber stärker oder halten länger an – dann solltest du eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen.
Dringend abklären lassen solltest du deine Beschwerden, wenn:
die Schmerzen über mehrere Wochen bestehen bleiben oder sich trotz eigener Maßnahmen verschlimmern,
die Schmerzen in ein Bein ausstrahlen, bis hinunter zum Fuß,
Taubheitsgefühle, Kribbeln oder Muskelschwäche auftreten,
du Probleme beim Wasserlassen oder Stuhlgang bemerkst,
die Schmerzen sehr stark sind und deine Beweglichkeit deutlich einschränken.
In solchen Fällen ist es wichtig, die genaue Ursache zu klären. Ärzt:innen können mit Untersuchungen und bildgebenden Verfahren wie Röntgen oder MRT feststellen, ob tatsächlich das ISG die Beschwerden auslöst oder ob andere Ursachen vorliegen – zum Beispiel ein Bandscheibenvorfall oder eine Entzündung.
Wissenschaftliche Quellen
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