Hemianopsie – Alltag mit halbem Gesichtsfeld

Hemianopsie – Alltag mit halbem Gesichtsfeld

07.08.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Hemianopsie bezeichnet den teilweisen Ausfall des Gesichtsfeldes, meist auf einer Hälfte beider Augen. Das bedeutet, dass auf einer Seite – entweder rechts oder links – nichts mehr wahrgenommen werden kann, obwohl die Augen selbst oft gesund sind. Ursache ist meist eine Schädigung bestimmter Bereiche im Gehirn, die für das Sehen zuständig sind.

Wie macht sich Hemianopsie bemerkbar?

Im Alltag fällt oft auf, dass plötzlich Gegenstände oder Personen auf einer Seite nicht mehr gesehen werden. Ein klassisches Beispiel: Beim Lesen wird der Text am Rand übersehen oder beim Gehen stößt man häufiger an Hindernisse auf der betroffenen Seite. Viele bemerken, dass sie beim Autofahren oder Radeln auf einer Seite nicht mehr alles erfassen. Das kann sehr verunsichern, vor allem wenn die Einschränkung plötzlich auftritt.

Die Hemianopsie unterscheidet sich von anderen Sehstörungen dadurch, dass das betroffene Gesichtsfeld auf beiden Augen gleich eingeschränkt ist. Das bedeutet: Bei einer sogenannten homonymen Hemianopsie fehlt beispielsweise das rechte Gesichtsfeld sowohl am rechten als auch am linken Auge. Die Ursache liegt fast immer im Gehirn, nicht im Auge selbst.

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Was sind die Ursachen?

Häufig entsteht Hemianopsie durch einen Schlaganfall, also eine plötzliche Durchblutungsstörung im Gehirn. Aber auch andere Schädigungen, wie Gehirntumore, Entzündungen oder Verletzungen, können die für das Sehen zuständigen Bereiche beeinträchtigen. Besonders betroffen ist meist der sogenannte Sehnerv oder die Sehrinde – das sind die „Schaltzentralen“ für die Weiterleitung und Verarbeitung der Seheindrücke.

Je nachdem, wo im Gehirn die Schädigung liegt, unterscheiden Ärztinnen und Ärzte verschiedene Formen. Am häufigsten ist die homonyme Hemianopsie, bei der auf beiden Augen dieselbe Seite des Gesichtsfelds ausfällt. Seltener gibt es auch bitemporale oder binasale Hemianopsien, bei denen jeweils die äußeren oder inneren Gesichtsfelder betroffen sind. Diese Formen treten zum Beispiel bei bestimmten Tumoren auf.

Ist Hemianopsie gefährlich?

Die Hemianopsie selbst ist keine Krankheit, sondern ein Symptom. Sie zeigt an, dass im Gehirn eine Schädigung vorliegt oder vorlag. Die größte Gefahr besteht darin, dass wichtige Dinge im Alltag übersehen werden: Straßenverkehr, Treppen, Hindernisse oder sogar Menschen im eigenen Umfeld. Das Risiko für Unfälle steigt deutlich, wenn die Einschränkung nicht erkannt oder nicht beachtet wird.

Viele fragen sich, ob die Hemianopsie wieder verschwindet. Das hängt ganz von der Ursache und dem Ausmaß der Schädigung ab. Nach einem Schlaganfall kann sich das Gesichtsfeld manchmal teilweise oder sogar vollständig erholen, vor allem in den ersten Wochen. In anderen Fällen bleibt die Einschränkung dauerhaft bestehen.

Wie wird Hemianopsie festgestellt?

Oft gibt schon die Schilderung der Beschwerden einen ersten Hinweis. In der augenärztlichen Untersuchung wird das Gesichtsfeld genau geprüft – meist mithilfe eines sogenannten Perimeters. Dabei wird gemessen, welche Bereiche noch gesehen werden und wo das Gesichtsfeld endet. Zusätzlich sind bildgebende Verfahren wie eine Magnetresonanztomografie (MRT) wichtig, um die Ursache im Gehirn genau zu lokalisieren.

Was kann helfen?

Eine gezielte Behandlung richtet sich immer nach der zugrunde liegenden Ursache. Wenn ein Schlaganfall oder eine Entzündung im Gehirn vorliegt, steht zunächst die Behandlung dieser Erkrankung im Vordergrund. Ist die Schädigung bereits eingetreten, gibt es verschiedene Möglichkeiten, mit der Hemianopsie umzugehen.

Spezielle Sehtrainings können helfen, das Gehirn zu unterstützen, die Einschränkung zu kompensieren. Dabei wird gezielt geübt, den Kopf und die Augen bewusster zu bewegen, um das fehlende Gesichtsfeld auszugleichen. Viele profitieren von einer sogenannten Kompensationstherapie, die im Rahmen der Neurorehabilitation angeboten wird. Hier werden Strategien erlernt, wie Hindernisse erkannt und Alltagssituationen sicher gemeistert werden können.

Hilfsmittel wie spezielle Prismenbrillen oder elektronische Geräte können das Sehen erleichtern. Auch Veränderungen im häuslichen Umfeld – etwa eine klare Raumgestaltung oder das Vermeiden von Stolperfallen – sind hilfreich.

Psychologische Unterstützung ist wichtig, wenn die Hemianopsie zu Verunsicherung, Ängsten oder Rückzug führt. Gespräche und Austausch helfen, mit der neuen Situation besser umzugehen und das Selbstvertrauen im Alltag zu stärken.

Leben mit Hemianopsie

Die Diagnose Hemianopsie kann zunächst einen Schock auslösen. Viele sorgen sich, wie der Alltag, der Beruf oder das Autofahren weiter möglich sind. Es ist wichtig zu wissen: Mit der richtigen Unterstützung und etwas Geduld lässt sich vieles anpassen. In manchen Fällen ist das Autofahren nicht mehr erlaubt, in anderen kann nach einer gewissen Zeit und mit einem speziellen Gutachten wieder eine Fahrerlaubnis erteilt werden.

Viele lernen, mit der Zeit neue Wege zu finden, um sich sicher zu bewegen und aktiv am Leben teilzunehmen. Ein selbstbestimmtes Leben ist auch mit Hemianopsie möglich – manchmal braucht es nur etwas mehr Aufmerksamkeit und die Bereitschaft, neue Strategien zu erlernen.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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