Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine seltene Erkrankung des Nervensystems, bei der das körpereigene Abwehrsystem die Nerven außerhalb des Gehirns und Rückenmarks angreift und dadurch zu Muskelschwäche und manchmal zu Lähmungen führt.
Was steckt hinter dem Namen?
Der Begriff stammt von den französischen Ärzten Georges Guillain und Jean Alexandre Barré, die das Syndrom Anfang des 20. Jahrhunderts erstmals genauer beschrieben haben. Manchmal taucht im Arztbrief auch die Kurzform GBS auf. Gemeint ist damit immer dieselbe Erkrankung: eine sogenannte „entzündliche Polyneuropathie“, also eine Entzündung mehrerer Nerven, die außerhalb des zentralen Nervensystems verlaufen.
Wie zeigt sich das Guillain-Barré-Syndrom?
Typisch für das Guillain-Barré-Syndrom ist, dass die Beschwerden oft plötzlich beginnen und sich rasch verschlimmern können. Meistens fängt es mit Kribbeln, Taubheitsgefühlen oder Schwäche in den Beinen an. Innerhalb weniger Tage oder Wochen können die Symptome aufsteigen, sodass auch Arme, Rumpf oder Gesicht betroffen sein können. In manchen Fällen kommt es sogar zu Lähmungen.
Viele berichten, dass sie kurz zuvor eine Infektion hatten, etwa einen grippalen Infekt oder eine Magen-Darm-Erkrankung. Es wird vermutet, dass das Immunsystem nach solchen Infekten „überreagiert“ und versehentlich körpereigene Nerven angreift. Die Folge: Die Nerven können die Signale nicht mehr richtig weiterleiten, Muskeln lassen sich schlechter bewegen, manchmal sind auch Empfindungen wie Berührungen oder Temperatur gestört.
Ist das Guillain-Barré-Syndrom gefährlich?
Die Diagnose wirkt auf den ersten Blick beängstigend, vor allem weil sich die Symptome schnell verschlechtern können. In den meisten Fällen verläuft das Guillain-Barré-Syndrom jedoch gutartig und viele Betroffene erholen sich mit der Zeit vollständig oder fast vollständig. Trotzdem gibt es auch schwere Verläufe, bei denen die Lähmungen bis zu den Atemmuskeln fortschreiten. Dann kann vorübergehend eine künstliche Beatmung notwendig werden. Gerade in der Anfangsphase ist daher eine engmaschige Überwachung im Krankenhaus wichtig.
Eine der größten Sorgen ist die Frage, ob die Lähmungen dauerhaft bleiben. In den allermeisten Fällen bilden sich die Beschwerden innerhalb von Wochen bis Monaten wieder zurück. Nur selten bleiben einzelne Schwächen oder Empfindungsstörungen zurück.
Wie wird das Guillain-Barré-Syndrom festgestellt?
Die Diagnose stützt sich auf das typische Beschwerdebild und verschiedene Untersuchungen. Dazu gehören unter anderem eine genaue neurologische Untersuchung, spezielle Nervenmessungen (Elektroneurographie) und meist auch eine Untersuchung des Nervenwassers (Lumbalpunktion). Dabei suchen Ärztinnen und Ärzte nach bestimmten Veränderungen, die für das Guillain-Barré-Syndrom charakteristisch sind.
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Die Behandlung erfolgt immer im Krankenhaus, da sich der Zustand zu Beginn rasch verschlechtern kann. Ziel ist es, das eigene Immunsystem zu bremsen, damit die Nerven nicht weiter geschädigt werden. Dafür gibt es zwei bewährte Methoden: Zum einen die sogenannte Plasmapherese, bei der schädliche Antikörper aus dem Blut entfernt werden, und zum anderen die Gabe von Immunglobulinen, also speziellen Eiweißen, die das Immunsystem regulieren.
Begleitend ist eine intensive Pflege und Überwachung wichtig, damit mögliche Komplikationen wie Atemprobleme, Herzrhythmusstörungen oder Infektionen rechtzeitig erkannt und behandelt werden können. Sobald die akute Phase überstanden ist, beginnt die Rehabilitation, also gezielte Krankengymnastik, Ergotherapie und manchmal auch psychologische Unterstützung, um die Beweglichkeit und Selbstständigkeit wiederherzustellen.
Was bedeutet die Diagnose für den Alltag?
Die meisten erleben die ersten Wochen als sehr belastend, weil sie auf Hilfe angewiesen sind und nicht wissen, wie schnell die Genesung voranschreitet. Es ist normal, sich Sorgen zu machen, ob die Kraft zurückkehrt oder ob bleibende Schäden bleiben. Tatsächlich ist die Prognose in den allermeisten Fällen gut. Es kann jedoch einige Zeit dauern, bis Muskeln und Nerven sich vollständig erholt haben.
Nach der Entlassung aus dem Krankenhaus ist eine weiterführende Rehabilitation wichtig. Geduld und konsequentes Training helfen, die Beweglichkeit und Kraft schrittweise zurückzugewinnen. Auch psychische Belastungen wie Angst oder Unsicherheit können auftreten, hier hilft es, offen mit dem Behandlungsteam oder Angehörigen darüber zu sprechen.
Gibt es Möglichkeiten, vorzubeugen?
Das Guillain-Barré-Syndrom ist eine Erkrankung, die meist ohne erkennbare Vorwarnung auftritt. Eine gezielte Vorbeugung ist nicht möglich, da die genauen Auslöser noch nicht vollständig geklärt sind. Wer nach einer Infektion plötzlich Schwäche, Taubheitsgefühle oder Lähmungen bemerkt, sollte rasch ärztliche Hilfe suchen, je früher die Behandlung beginnt, desto besser sind die Aussichten auf eine vollständige Genesung.
Das Wissen um die Erkrankung und die modernen Behandlungsmöglichkeiten kann helfen, die erste Unsicherheit zu überwinden. In den meisten Fällen ist das Guillain-Barré-Syndrom gut behandelbar, auch wenn der Weg zurück manchmal Geduld erfordert.
Wissenschaftliche Quellen
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