Evidenz im medizinischen Alltag

Evidenz im medizinischen Alltag

26.10.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Evidenz bedeutet in der Medizin, dass es für eine Annahme, eine Behandlung oder einen Zusammenhang wissenschaftliche Belege gibt, die durch Studien oder Untersuchungen gestützt werden.

Was steckt hinter dem Begriff?

Im medizinischen Alltag taucht der Ausdruck immer wieder auf. Gemeint ist damit, dass eine bestimmte Maßnahme, Diagnose oder Therapie nicht nur auf Erfahrung oder Bauchgefühl basiert, sondern auf nachvollziehbaren, überprüfbaren Ergebnissen. Diese Ergebnisse stammen in der Regel aus wissenschaftlichen Studien, die sorgfältig geplant und ausgewertet wurden. Wenn von Evidenz oder evidenzbasierten Methoden gesprochen wird, heißt das also: Es gibt gute Gründe und nachprüfbare Daten, die für eine bestimmte Vorgehensweise sprechen.

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Wo begegnet einem der Begriff?

Oft fällt das Wort im Zusammenhang mit Therapien oder Medikamenten. Wenn ein Arzt etwa erklärt, eine Behandlung sei „evidenzbasiert“, bedeutet das, dass sie sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse stützt – und nicht bloß auf einzelne Erfahrungen oder Traditionen. Auch in Arztbriefen oder medizinischen Gutachten findet sich der Begriff. Dort wird zum Beispiel festgehalten, ob für eine bestimmte Diagnose oder Therapie eine ausreichende Evidenz vorliegt.

Im Alltag kann der Begriff auch außerhalb der Medizin auftauchen, etwa in der Psychologie oder in den Sozialwissenschaften. Dort steht er ebenfalls für das Vorhandensein von überprüfbaren Belegen.

Warum ist Evidenz in der Medizin wichtig?

Im Gesundheitswesen steht Sicherheit an oberster Stelle. Niemand möchte ein Medikament einnehmen oder sich einer Behandlung unterziehen, deren Wirkung nicht belegt ist. Deshalb werden neue Therapien und Arzneimittel in Studien getestet. Nur wenn diese Studien zeigen, dass die Methode tatsächlich hilft und sicher ist, gilt sie als evidenzbasiert.

Das Ziel ist, dass Entscheidungen nicht allein auf Meinungen oder Einzelfällen beruhen, sondern auf dem, was sich in der Forschung bewährt hat. So lässt sich vermeiden, dass wirkungslose oder sogar schädliche Behandlungen angewendet werden.

Unterschiedliche Stufen der Evidenz

Nicht jede wissenschaftliche Studie hat das gleiche Gewicht. Es gibt verschiedene Stufen, wie stark eine Evidenz ist. Große, gut gemachte Studien mit vielen Teilnehmenden liefern meist überzeugendere Belege als kleine Untersuchungen oder bloße Erfahrungsberichte. In der Medizin wird deshalb oft von „hoher“ oder „niedriger“ Evidenz gesprochen. Je besser die Studienlage, desto sicherer kann eine Aussage getroffen werden.

Manchmal gibt es nur schwache oder widersprüchliche Beweise. Dann sprechen Fachleute von „unzureichender Evidenz“ oder davon, dass „keine Evidenz“ für eine bestimmte Wirkung vorliegt. Das heißt nicht, dass etwas unmöglich ist – aber es gibt bislang keine überzeugenden Daten dafür.

Was bedeutet das für die eigene Behandlung?

Wenn im Befund steht, eine Therapie habe „gute Evidenz“, ist das ein positives Zeichen. Es deutet darauf hin, dass die Behandlung in Studien geprüft wurde und sich dabei als wirksam gezeigt hat. Umgekehrt kann es auch vorkommen, dass eine Methode „nicht evidenzbasiert“ ist. In solchen Fällen gibt es keine zuverlässigen wissenschaftlichen Nachweise für einen Nutzen. Das heißt aber nicht automatisch, dass sie schadet – nur, dass der Nutzen nicht ausreichend belegt ist.

Bei vielen Erkrankungen oder Beschwerden gibt es mehrere Behandlungsoptionen mit unterschiedlich starker Evidenz. Die Wahl hängt dann von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel vom eigenen Gesundheitszustand, von Begleiterkrankungen oder von persönlichen Vorlieben. Ärztinnen und Ärzte informieren darüber, wie gut die Wirksamkeit einer Therapie durch Studien abgesichert ist.

Weitere Begriffe rund um Evidenz

Manchmal tauchen im Zusammenhang mit evidenzbasierten Methoden weitere Begriffe auf. Die sogenannte „Evidenzbasierte Medizin“ (englisch: Evidence-Based Medicine, kurz EBM) ist eine Herangehensweise, bei der medizinische Entscheidungen auf der besten verfügbaren wissenschaftlichen Grundlage getroffen werden. Dabei werden nicht nur Studienergebnisse berücksichtigt, sondern auch die Erfahrung der behandelnden Person und die Wünsche der Betroffenen.

Auch von „klinischer Evidenz“ ist oft die Rede. Damit sind Belege gemeint, die direkt aus Untersuchungen an Menschen stammen – also nicht aus Tierversuchen oder Laborstudien.

Gelegentlich liest man auch von „Evidenzen“ im Plural. Gemeint sind dann mehrere wissenschaftliche Belege oder verschiedene Studien, die zusammen ein Bild ergeben.

Was tun, wenn keine oder nur schwache Evidenz vorliegt?

Es gibt Situationen, in denen für eine bestimmte Behandlung noch keine überzeugenden Studien vorliegen. Das kann daran liegen, dass die Methode neu ist oder selten angewendet wird. Auch bei seltenen Erkrankungen ist die Studienlage oft dünn. In solchen Fällen entscheiden Ärztinnen und Ärzte gemeinsam mit den Betroffenen, ob ein Behandlungsversuch trotzdem sinnvoll ist. Die individuelle Situation, das Risiko-Nutzen-Verhältnis und die persönlichen Wünsche spielen dann eine wichtige Rolle.

Evidenz ist also ein zentrales Prinzip in der modernen Medizin. Sie sorgt dafür, dass Entscheidungen nachvollziehbar und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft getroffen werden.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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