Claudicatio spinalis bezeichnet eine besondere Form von Rückenschmerzen, bei der es beim Gehen oder längeren Stehen zu Beschwerden wie Schmerzen, Schwäche oder Taubheitsgefühlen in den Beinen kommt, die sich beim Hinsetzen oder Vorbeugen wieder bessern.
Was steckt hinter der Claudicatio spinalis?
Der Begriff stammt aus dem Lateinischen: „claudicatio“ bedeutet „Hinken“ oder „das Hinken“, und „spinalis“ bezieht sich auf die Wirbelsäule. Wörtlich übersetzt spricht man also vom „Wirbelsäulen-Hinken“. Gemeint ist damit keine Erkrankung der Beinmuskulatur oder der Blutgefäße, sondern eine Störung, die direkt mit der Wirbelsäule zusammenhängt – genauer gesagt mit dem Rückenmarkskanal, durch den Nervenstränge verlaufen.
Das typische Bild: Beim Laufen treten nach einer gewissen Strecke Schmerzen, Kribbeln oder Schwäche in den Beinen auf, manchmal auch ein Gefühl, als ob die Beine „nachgeben“. Wer sich dann hinsetzt oder den Oberkörper nach vorne beugt, spürt meist rasch eine Besserung. Das unterscheidet die Claudicatio spinalis deutlich von anderen Ursachen für Beinschmerzen, etwa einer Durchblutungsstörung.
Wie entsteht dieses Beschwerdebild?
Die Ursache liegt in den meisten Fällen in einer sogenannten Spinalkanalstenose. Das bedeutet, dass der Wirbelkanal, durch den Nerven und das Rückenmark verlaufen, eingeengt ist. Mit zunehmendem Alter kann es durch Verschleißerscheinungen – etwa verdickte Bänder, knöcherne Auswüchse oder Bandscheibenvorfälle – zu einer Verengung dieses Kanals kommen. Die Nerven werden dann beim Gehen oder Stehen stärker zusammengedrückt, weil die Wirbelsäule in aufrechter Haltung den Kanal zusätzlich verengt. Beim Vorbeugen oder Hinsetzen öffnet sich der Kanal wieder etwas, der Druck auf die Nerven lässt nach, und die Beschwerden gehen zurück.
Häufig sind Menschen ab dem mittleren Lebensalter betroffen, da die typischen Veränderungen meist erst im Laufe der Jahre entstehen. Selten können auch angeborene Besonderheiten der Wirbelsäule oder Unfälle eine Rolle spielen.
Typische Symptome und Alltagsauswirkungen
Charakteristisch für die Claudicatio spinalis ist, dass die Beschwerden vor allem beim Gehen oder längerem Stehen auftreten. Anfangs reicht es vielleicht noch, längere Strecken zu bewältigen, doch mit der Zeit kann die Gehstrecke immer kürzer werden. Manche Betroffene müssen schon nach wenigen hundert Metern stehenbleiben, weil die Beine schmerzen, kribbeln oder schwach werden. Das kann den Alltag erheblich einschränken – Spaziergänge, Einkäufe oder das Bewältigen von Treppen werden zur Herausforderung.
Oft bessern sich die Symptome, sobald der Oberkörper nach vorne gebeugt wird – etwa beim Sitzen auf einer Bank oder beim Stützen auf einen Einkaufswagen. Dieses Phänomen ist so typisch, dass es manchmal als „Schaufensterkrankheit der Wirbelsäule“ bezeichnet wird, in Abgrenzung zur „Schaufensterkrankheit“ der Arterien (Claudicatio intermittens), bei der Durchblutungsstörungen die Ursache sind.
Ist Claudicatio spinalis gefährlich?
Viele machen sich Sorgen, wenn plötzlich solche Beschwerden auftreten: Droht eine Lähmung? Ist das Rückenmark dauerhaft geschädigt? In den meisten Fällen entwickelt sich die Claudicatio spinalis langsam und bleibt über längere Zeit stabil. Die Beschwerden sind zwar unangenehm und schränken ein, führen aber selten zu einer echten Lähmung oder zum Kontrollverlust über Blase und Darm.
Warnsignale, bei denen rasch ärztlicher Rat gesucht werden sollte, sind aber neu auftretende Taubheit im Bereich der Genitalien oder des Afters, eine plötzlich auftretende Schwäche in den Beinen oder Probleme beim Wasserlassen und Stuhlgang. Diese Symptome können auf eine ernsthafte Nervenkompression hinweisen und erfordern eine rasche Abklärung.
Möglichkeiten der Behandlung
Die Therapie richtet sich nach dem Ausmaß der Beschwerden und dem individuellen Gesundheitszustand. Häufig lässt sich mit gezielter Physiotherapie, Rückentraining und Bewegungsübungen schon viel erreichen. Ziel ist es, die Rückenmuskulatur zu stärken, die Beweglichkeit zu erhalten und Fehlhaltungen zu vermeiden. Auch schmerzlindernde Medikamente können helfen, die Beschwerden zu lindern.
Manchmal kommen spezielle Gehtrainings zum Einsatz, bei denen das Gehen mit kurzen Pausen und in leicht vorgebeugter Haltung geübt wird. Viele profitieren davon, weil sich so die Gehstrecke wieder verlängern lässt. In einigen Fällen können auch Injektionen, zum Beispiel mit entzündungshemmenden Wirkstoffen, vorübergehend Erleichterung bringen.
Wenn die Beschwerden trotz dieser Maßnahmen stark bleiben und die Lebensqualität deutlich eingeschränkt ist, kann eine Operation in Erwägung gezogen werden. Ziel ist es dann, den Wirbelkanal zu erweitern und den Druck von den Nerven zu nehmen. Solche Eingriffe sind heute meist minimal-invasiv möglich, also mit möglichst kleinen Schnitten und kurzer Erholungszeit. Ob eine Operation sinnvoll ist, hängt immer vom Einzelfall ab und wird gemeinsam mit Fachärztinnen oder Fachärzten entschieden.
Worauf im Alltag achten?
Mit Claudicatio spinalis lässt sich in vielen Fällen gut leben, wenn ein paar Dinge beachtet werden. Regelmäßige Bewegung, angepasst an die eigenen Möglichkeiten, ist wichtig, um die Muskulatur zu erhalten und die Beweglichkeit zu fördern. Auch Pausen beim Gehen, das Nutzen von Sitzgelegenheiten oder das Stützen auf einen Einkaufswagen können helfen, längere Strecken zu bewältigen. Wer Übergewicht abbaut, entlastet die Wirbelsäule zusätzlich.
Es ist sinnvoll, die Beschwerden und ihre Entwicklung im Auge zu behalten und bei Verschlechterung ärztlichen Rat einzuholen. Gemeinsam mit Fachleuten lässt sich meist ein Weg finden, die Lebensqualität zu erhalten und die Beschwerden zu lindern.