Arrhythmie verstehen und bewältigen

Arrhythmie verstehen und bewältigen

27.09.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Die Arrhythmie ist eine Störung des normalen Herzrhythmus. Das Herz schlägt dabei zu schnell (Tachykardie), zu langsam (Bradykardie) oder unregelmäßig. Diese Veränderungen können harmlos sein, aber auch den Blutfluss und die Sauerstoffversorgung des Körpers beeinträchtigen.

Schätzungen zufolge leiden bis zu 2 % der Bevölkerung an behandlungsbedürftigen Rhythmusstörungen. Bei über 70-Jährigen sind es mehr als 10 %. Besonders häufig ist das Vorhofflimmern, das weltweit über 33 Millionen Menschen betrifft und das Schlaganfallrisiko verfünffacht.

Was ist Arrhythmie?

Unter einer Arrhythmie versteht man jede Abweichung vom regelmäßigen Sinusrhythmus des Herzens. Das Herz schlägt dann entweder:

  • zu schnell (Tachykardie: Ruhepuls über 100/min)

  • zu langsam (Bradykardie: Ruhepuls unter 50/min)

  • unregelmäßig (z. B. Vorhofflimmern, Extrasystolen)

Ein unregelmäßiger Herzschlag kann die Pumpfunktion beeinträchtigen und damit die Sauerstoffversorgung im Körper stören. Manche Arrhythmien sind zufällige Befunde ohne Krankheitswert, andere führen zu Schwindel, Atemnot oder sogar zu plötzlichem Herztod.

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Ursachen und Risikofaktoren

Die Ursachen für Herzrhythmusstörungen sind vielfältig und lassen sich in herzbedingte und nicht-herzbedingte Faktoren einteilen. Besonders häufig stehen Herzerkrankungen im Vordergrund. Bei einer koronaren Herzkrankheit (KHK), die in Deutschland rund 5–7 % der Erwachsenen betrifft, entwickeln etwa 20–30 % der Patient:innen im Verlauf eine behandlungsbedürftige Rhythmusstörung. Auch eine Herzinsuffizienz, die etwa 2–3 % der Bevölkerung betrifft, begünstigt Arrhythmien deutlich: Mehr als 50 % dieser Patient:innen entwickeln Vorhofflimmern oder andere Rhythmusstörungen. Herzklappenfehler sind ein weiterer häufiger Auslöser – durch die Druck- oder Volumenbelastung im Herzen entstehen bei etwa 40 % der Betroffenen im Krankheitsverlauf Rhythmusprobleme.

Neben diesen Grunderkrankungen spielen auch nicht-herzbedingte Faktoren eine große Rolle. Elektrolytstörungen wie ein Ungleichgewicht von Kalium, Magnesium oder Calcium sind an bis zu 15 % der im Krankenhaus behandelten Arrhythmien beteiligt. Hormonelle Einflüsse, insbesondere eine Schilddrüsenüberfunktion, erhöhen das Risiko für Vorhofflimmern um das 5-Fache. Auch Lebensstilfaktoren sind entscheidend: Hoher Alkoholkonsum steigert das Risiko für akutes Vorhofflimmern („Holiday-Heart-Syndrom“) um bis zu 40 %, während Nikotin und Drogen die elektrische Stabilität des Herzmuskels direkt beeinträchtigen. Zusätzlich sind bestimmte Medikamente, wie Digitalis oder einige Psychopharmaka, für Rhythmusstörungen bekannt. Stress und Schlafmangel verstärken das Risiko erheblich – bei chronischem Schlafmangel steigt die Wahrscheinlichkeit für Herzrhythmusstörungen um bis zu 30 %.

Das Risiko nimmt mit dem Alter stark zu: Während unter 55 Jahren nur etwa 2 % der Menschen eine Arrhythmie entwickeln, steigt die Häufigkeit ab 80 Jahren auf über 10 %. Eine familiäre Vorbelastung verdoppelt zusätzlich das Risiko, sodass gerade Personen mit erkrankten Angehörigen besonders wachsam sein sollten.

Symptome – wie macht sich eine Arrhythmie bemerkbar?

Typische Anzeichen sind Herzrasen, unregelmäßiger Puls, Herzflattern, Schwindel, Atemnot oder Müdigkeit. In schweren Fällen kommt es zu Ohnmachtsanfällen.

Besonders gefährlich sind asymptomatische Arrhythmien: Sie verursachen keine spürbaren Beschwerden, erhöhen aber das Risiko für Herzschwäche und Schlaganfälle deutlich.

Diagnose – wie wird eine Arrhythmie festgestellt?

Ein EKG ist die wichtigste Untersuchung. Es zeigt, ob der Herzrhythmus regelmäßig ist. Bei seltenen Störungen wird ein Langzeit-EKG über 24 bis 72 Stunden durchgeführt. Belastungs-EKGs erfassen Beschwerden unter körperlicher Anstrengung.

Zusätzlich helfen Echokardiografie und Blutuntersuchungen (Elektrolyte, Schilddrüsenhormone, Entzündungswerte). In speziellen Fällen setzen Ärzt:innen implantierbare Loop-Recorder ein, die den Rhythmus über Monate überwachen.

Therapie und Behandlung einer Arrhythmie

Die Behandlung einer Herzrhythmusstörung hängt immer von der genauen Ursache und dem Schweregrad ab. Ziel ist es, den Herzschlag zu stabilisieren, Symptome zu lindern und gefährliche Folgen wie Schlaganfälle oder plötzlichen Herztod zu verhindern.

Lebensstil – was man selbst tun kann

Viele Arrhythmien lassen sich durch Veränderungen im Alltag günstig beeinflussen. Stressabbau spielt eine zentrale Rolle, da dauerhafte Anspannung den Herzrhythmus instabil macht. Entspannungsverfahren wie Yoga, Meditation oder Atemübungen können helfen, das Nervensystem zu beruhigen. Auch Nikotin und Alkohol wirken direkt auf die elektrische Steuerung des Herzens – wer darauf verzichtet oder den Konsum stark einschränkt, senkt das Risiko für Rhythmusstörungen deutlich.

Eine herzgesunde Ernährung mit viel Obst, Gemüse, Vollkornprodukten und wenig Zucker oder gesättigten Fetten unterstützt das Herz zusätzlich. Wichtig sind vor allem ausreichend Magnesium und Kalium, die in Bananen, Nüssen, grünem Gemüse oder Hülsenfrüchten enthalten sind. Diese Mineralstoffe helfen, die elektrische Aktivität des Herzens zu stabilisieren.

Auch regelmäßige Bewegung wirkt positiv. Geeignet sind schonende Ausdauersportarten wie Radfahren, Schwimmen oder Walking, die Herz und Kreislauf trainieren, ohne das Herz zu überlasten. Extreme Belastungen, etwa Marathonläufe ohne Training oder plötzliche Leistungsspitzen, sollten dagegen vermieden werden, da sie Rhythmusstörungen begünstigen können.

Medikamente – gezielte Stabilisierung des Rhythmus

Bei vielen Patient:innen sind Medikamente notwendig, um den Herzrhythmus dauerhaft zu kontrollieren. Betablocker bremsen den Herzschlag und verhindern gefährliche Spitzen. Antiarrhythmika wie Amiodaron oder Flecainid greifen direkt in die elektrische Steuerung des Herzens ein und können den Rhythmus stabilisieren.

Besonders bei Vorhofflimmern kommt oft eine Blutverdünnung (z. B. mit Apixaban, Rivaroxaban oder Warfarin) hinzu. Sie verhindert, dass sich im Herzen Blutgerinnsel bilden, die Schlaganfälle auslösen können. Für Patient:innen ist es wichtig, diese Medikamente regelmäßig einzunehmen und ärztliche Kontrollen wahrzunehmen – nur so bleibt der Schutz zuverlässig.

Interventionelle Verfahren – wenn Medikamente nicht ausreichen

Manchmal reicht eine medikamentöse Behandlung nicht aus. Dann stehen interventionelle Therapien zur Verfügung. Eine Möglichkeit ist die elektrische Kardioversion: Dabei wird unter kurzer Narkose ein gezielter Stromimpuls ans Herz abgegeben, der den normalen Rhythmus wiederherstellen kann.

Bei wiederkehrenden oder schweren Arrhythmien ist oft eine Katheterablation sinnvoll. Über dünne Schläuche, die durch die Blutgefäße ins Herz geführt werden, werden die fehlerhaften Erregungsherde gezielt verödet. Die Erfolgsrate liegt je nach Art der Arrhythmie bei 70–90 %, oft kann danach sogar auf Medikamente verzichtet werden.

Herzschrittmacher und Defibrillatoren – Sicherheit bei schweren Störungen

Wenn das Herz dauerhaft zu langsam schlägt (Bradykardie), kann ein Herzschrittmacher eingesetzt werden. Dieses kleine Gerät überwacht den Herzrhythmus und gibt bei Bedarf elektrische Impulse ab, damit das Herz im richtigen Takt bleibt.

Bei lebensbedrohlichen schnellen Rhythmusstörungen (Tachykardien) schützen implantierbare Defibrillatoren (ICD). Sie erkennen gefährliche Rhythmusentgleisungen sofort und geben automatisch einen Schock ab, der den Herzschlag normalisiert – ein lebensrettendes System für viele Betroffene.

Prognose

Die Prognose hängt von der Art der Arrhythmie ab. Vorhofflimmern ist meist chronisch, lässt sich aber mit Medikamenten und Ablation gut kontrollieren. Bradykardien erfordern oft einen Schrittmacher, erlauben danach aber ein weitgehend normales Leben. Kammerflimmern ist akut lebensbedrohlich und erfordert sofortige Hilfe.

Je früher die Diagnose gestellt und eine Behandlung begonnen wird, desto besser sind die Aussichten und desto geringer ist das Risiko bleibender Schäden.

Psychische Belastung durch Arrhythmien

Eine Herzrhythmusstörung betrifft nicht nur den Körper, sondern oft auch die Psyche. Viele Patient:innen entwickeln Ängste, etwa vor einem plötzlichen Herztod, vor der nächsten Attacke von Herzrasen oder vor einer möglichen Schrittmacher-Implantation. Diese Sorgen können Schlafstörungen, innere Unruhe oder sogar depressive Verstimmungen nach sich ziehen. Wichtig ist, diese Gefühle ernst zu nehmen und offen mit der behandelnden Ärztin oder dem Arzt darüber zu sprechen. Psychologische Unterstützung, Herzgruppen-Reha oder Selbsthilfegruppen helfen, mit den Ängsten umzugehen und das Vertrauen in den eigenen Körper zurückzugewinnen. Auch Entspannungsverfahren wie Atemübungen, Meditation oder Yoga können das Sicherheitsgefühl stärken und den Herzrhythmus zusätzlich stabilisieren.

Wissenschaftliche Quellen

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BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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