Anencephalie ist eine schwere angeborene Fehlbildung, bei der sich das Gehirn und der obere Teil des Schädels während der frühen Schwangerschaft nicht richtig entwickeln.
Was steckt hinter dem Begriff?
Der Ausdruck Anencephalie stammt aus dem Griechischen und bedeutet übersetzt „ohne Gehirn“. Medizinisch beschreibt er einen Zustand, bei dem große Teile des Gehirns, der Schädeldecke und manchmal auch der Kopfhaut fehlen. Diese Fehlbildung entsteht bereits sehr früh in der Schwangerschaft, meist schon in den ersten vier Wochen nach der Befruchtung. Der Begriff zählt zu den sogenannten Neuralrohrdefekten – das Neuralrohr ist die embryonale Vorstufe von Gehirn und Rückenmark. Wenn sich das Neuralrohr am Kopfende nicht schließt, kann sich das Gehirn nicht richtig ausbilden.
Anencephalie gehört zu den seltenen, aber schwerwiegenden kongenitalen Störungen. Das bedeutet, die Erkrankung ist angeboren und besteht bereits vor der Geburt.
Wie entsteht Anencephalie?
Die Ursache liegt in einer Störung der Entwicklung während der Schwangerschaft. Normalerweise schließt sich das Neuralrohr etwa am 23. bis 26. Tag nach der Empfängnis. Bei Anencephalie bleibt dieser Verschluss am oberen Ende aus. Dadurch können sich Gehirn und Schädel nicht richtig formen. Die Gründe dafür sind nicht immer eindeutig. Es gibt Hinweise, dass ein Mangel an Folsäure, einer bestimmten Vitamin-B-Form, das Risiko erhöhen kann. Auch genetische Faktoren und äußere Einflüsse wie bestimmte Medikamente oder Erkrankungen der Mutter können eine Rolle spielen. In vielen Fällen bleibt die genaue Ursache jedoch unklar.
Was bedeutet eine Diagnose Anencephalie?
Die Diagnose Anencephalie trifft meist völlig unerwartet. Sie wird häufig bei einer Ultraschalluntersuchung während der Schwangerschaft gestellt. Schon im ersten Drittel der Schwangerschaft lässt sich die Fehlbildung erkennen. Die Nachricht ist für werdende Eltern ein schwerer Schock, denn Anencephalie ist nicht mit dem Leben vereinbar. Babys mit dieser Fehlbildung kommen entweder tot zur Welt oder versterben meist innerhalb weniger Stunden oder Tage nach der Geburt. Ein Bewusstsein oder Empfindungsvermögen ist bei diesen Kindern nicht vorhanden, da die wichtigsten Teile des Gehirns fehlen.
Ist Anencephalie behandelbar?
Es gibt keine Möglichkeit, Anencephalie zu heilen oder das Gehirn nachträglich zu entwickeln. Auch eine Operation oder medizinische Behandlung kann die Fehlbildung nicht rückgängig machen. Die medizinische Betreuung konzentriert sich darauf, Eltern zu begleiten, zu beraten und sie beim weiteren Vorgehen zu unterstützen. In manchen Fällen entscheiden sich Eltern für einen Schwangerschaftsabbruch, da das Überleben des Kindes ausgeschlossen ist. Andere möchten die Schwangerschaft austragen und ihr Kind nach der Geburt für kurze Zeit begleiten. Beide Wege sind möglich und werden von Ärztinnen, Ärzten sowie psychosozialen Beratungsstellen begleitet.
Typische Fragen und Ängste
Nach der Diagnose tauchen viele Fragen auf. Wie konnte das passieren? Hätte sich die Fehlbildung verhindern lassen? Kann so etwas noch einmal vorkommen? Die meisten Eltern trifft die Diagnose völlig unvorbereitet, und Schuldgefühle sind häufig. Es ist wichtig zu wissen: Niemand ist schuld an einer Anencephalie. Die Entstehung lässt sich in den allermeisten Fällen nicht beeinflussen. Ein Folsäuremangel kann zwar das Risiko erhöhen, aber auch bei optimaler Versorgung kann es zu einem Neuralrohrdefekt kommen.
Viele fragen sich, ob eine weitere Schwangerschaft sicher ist. Das Risiko für einen erneuten Neuralrohrdefekt ist etwas erhöht, aber insgesamt weiterhin gering. Eine gezielte Folsäure-Einnahme vor und während einer erneuten Schwangerschaft kann das Risiko senken. Eine genetische Beratung kann helfen, die individuelle Situation besser einzuschätzen.
Gibt es Möglichkeiten der Vorbeugung?
Die wichtigste bekannte Vorbeugung ist die ausreichende Versorgung mit Folsäure schon vor der Schwangerschaft und in den ersten Wochen danach. Frauen mit Kinderwunsch wird empfohlen, täglich Folsäure einzunehmen, um Neuralrohrdefekten wie Anencephalie vorzubeugen. Trotzdem ist ein vollständiger Schutz nicht möglich, da auch andere Faktoren eine Rolle spielen können.
Unterstützung und Begleitung
Die Diagnose Anencephalie ist eine der schwersten Nachrichten, die werdende Eltern erhalten können. Viele fühlen sich hilflos, traurig oder überfordert. Es gibt spezialisierte Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen und psychosoziale Angebote, die in dieser Zeit unterstützen. Auch Ärztinnen und Ärzte stehen beratend zur Seite, um gemeinsam einen Weg zu finden, der individuell passt.
Anencephalie ist eine seltene, schwerwiegende Fehlbildung, die das Leben von Eltern und Familien tief berührt. Die medizinische und emotionale Begleitung spielt in dieser Situation eine zentrale Rolle.