Wahrnehmungsstörung: Alltag zwischen Reiz und Reaktion

Wahrnehmungsstörung: Alltag zwischen Reiz und Reaktion

15.05.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Eine Wahrnehmungsstörung liegt vor, wenn die Fähigkeit, Sinneseindrücke richtig zu verarbeiten und einzuordnen, beeinträchtigt ist.

Was passiert bei einer Wahrnehmungsstörung?

Im Alltag strömen ständig Eindrücke auf den Menschen ein: Geräusche, Bilder, Gerüche, Berührungen, Bewegungen. Normalerweise filtert das Gehirn diese Informationen, sortiert sie und verknüpft sie mit Erfahrungen oder Gefühlen. Bei einer Wahrnehmungsstörung funktioniert dieser Prozess nicht wie gewohnt. Das bedeutet, dass Sinneseindrücke entweder zu schwach, zu stark oder verzerrt wahrgenommen werden. Manchmal werden bestimmte Reize übersehen oder falsch interpretiert. Die Folge kann sein, dass Situationen, Geräusche oder Berührungen als unangenehm, verwirrend oder gar bedrohlich empfunden werden – obwohl sie objektiv harmlos sind.

Wahrnehmungsstörungen können sich auf verschiedene Sinne beziehen. Häufig sind das Hören, Sehen, Fühlen, Riechen oder die Körperwahrnehmung betroffen. Manche Menschen nehmen zum Beispiel Geräusche als besonders laut oder schmerzhaft wahr, andere spüren Berührungen kaum oder können ihre eigene Körperhaltung nicht richtig einschätzen.

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Wie äußert sich eine Wahrnehmungsstörung?

Die Anzeichen sind sehr vielfältig und hängen davon ab, welcher Sinn betroffen ist. Im Kindesalter fällt oft auf, dass sich Kinder schwer tun, Reize zu verarbeiten – etwa bei lauten Geräuschen, bestimmten Stoffen auf der Haut oder beim Erkennen von Mustern und Formen. Erwachsene erleben manchmal eine Überempfindlichkeit gegenüber Licht, Lärm oder Berührungen. Auch eine scheinbare „Tollpatschigkeit“, Schwierigkeiten beim Schreiben oder Lesen oder Probleme, sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden, können auf eine Wahrnehmungsstörung hinweisen.

Im Alltag kann das große Herausforderungen mit sich bringen. In der Schule oder am Arbeitsplatz fällt es schwer, sich zu konzentrieren, weil Hintergrundgeräusche oder Bewegungen ablenken. Manche Betroffene fühlen sich in Gruppen schnell überfordert, andere meiden bestimmte Situationen ganz, weil sie die Reize nicht filtern können.

Woher kommt eine Wahrnehmungsstörung?

Die Ursachen sind sehr unterschiedlich. Bei Kindern kann eine Wahrnehmungsstörung angeboren sein oder sich im Laufe der Entwicklung zeigen. Frühgeburtlichkeit, Sauerstoffmangel bei der Geburt oder bestimmte genetische Faktoren spielen manchmal eine Rolle. Auch nach Unfällen, Hirnverletzungen oder Erkrankungen des Nervensystems kann die Verarbeitung von Sinneseindrücken gestört sein. In manchen Fällen entwickeln sich Wahrnehmungsstörungen im Zusammenhang mit psychischen Belastungen, zum Beispiel nach traumatischen Erfahrungen.

Nicht immer lässt sich eine klare Ursache finden. Manchmal ist die Störung Teil eines umfassenderen Krankheitsbildes, etwa bei Autismus-Spektrum-Störungen oder Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Auch bei Demenz oder nach einem Schlaganfall können Veränderungen der Wahrnehmung auftreten.

Muss eine Wahrnehmungsstörung behandelt werden?

Ob eine Behandlung notwendig ist, hängt davon ab, wie stark die Wahrnehmungsstörung den Alltag beeinträchtigt. Viele Betroffene entwickeln mit der Zeit eigene Strategien, um mit den Schwierigkeiten umzugehen. Wenn die Probleme jedoch zu groß werden, die Lebensqualität einschränken oder die Entwicklung behindern, kann gezielte Unterstützung sinnvoll sein.

Gerade bei Kindern lohnt es sich, frühzeitig auf Anzeichen zu achten und gegebenenfalls eine fachärztliche oder therapeutische Abklärung zu suchen. In spezialisierten Praxen oder Frühförderstellen werden verschiedene Tests durchgeführt, um herauszufinden, welche Bereiche betroffen sind. Häufig arbeiten Ergotherapeuten, Logopäden oder Psychologen eng zusammen, um ein passendes Förderkonzept zu erstellen.

Wie sieht eine Unterstützung aus?

Die Therapie richtet sich ganz nach den individuellen Bedürfnissen. In der Ergotherapie werden zum Beispiel gezielt Übungen angeboten, die das Zusammenspiel von Sinneseindrücken und Bewegungen fördern. Das kann helfen, Unsicherheiten bei der Körperwahrnehmung oder beim Umgang mit Berührungen zu verringern. Bei Problemen mit dem Hören oder Sehen kommen manchmal spezielle Trainings oder Hilfsmittel zum Einsatz. Auch Eltern und Angehörige erhalten Tipps, wie sie den Alltag strukturieren und Reize dosieren können, damit Überforderungen vermieden werden.

In vielen Fällen bessert sich die Wahrnehmung mit gezielter Förderung. Wichtig ist, Geduld zu haben und kleine Fortschritte zu würdigen. Jeder Mensch entwickelt seine eigene Art, mit Reizen umzugehen – eine Wahrnehmungsstörung bedeutet nicht zwangsläufig eine Behinderung, sondern beschreibt zunächst eine besondere Art, die Welt zu erleben.

Was tun im Alltag?

Ein strukturierter Tagesablauf, ausreichend Pausen und eine reizarme Umgebung können helfen, besser mit den Herausforderungen umzugehen. Bei Unsicherheiten oder Fragen ist es sinnvoll, sich an Fachleute zu wenden, die Erfahrung mit Wahrnehmungsstörungen haben. Austausch mit anderen Betroffenen oder Angehörigen kann ebenfalls entlasten und neue Lösungswege aufzeigen. Oft hilft es schon, das eigene Erleben besser zu verstehen und zu wissen, dass die Schwierigkeiten einen Namen haben.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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