Orthese: Hilfe für Gelenke und Bewegung

Orthese: Hilfe für Gelenke und Bewegung

03.07.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Viele Menschen bekommen nach einer Verletzung, Operation oder bei chronischen Gelenkbeschwerden eine Orthese verordnet – und fragen sich, was genau dahinter steckt. Vereinfacht gesagt ist eine Orthese ein medizinisches Hilfsmittel, das einen Körperabschnitt stabilisiert, entlastet, führt oder korrigiert. Sie liegt von außen an, wird aus anpassbaren Materialien wie Kunststoff, Textil oder Silikon gefertigt und individuell auf die betroffene Region eingestellt. Richtig verwendet kann eine Orthese Schmerzen reduzieren, die Heilung schützen und dir im Alltag Sicherheit und Beweglichkeit zurückgeben. In diesem Ratgeber erfährst du, wann Orthesen sinnvoll sind, wie sie sich von Prothesen unterscheiden, welche Arten es gibt – vom Knie bis zum Fuß und zur Wirbelsäule – und worauf es bei Anpassung, Tragedauer, Pflege und der Eingewöhnung ankommt.

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Wofür wird eine Orthese eingesetzt?

Eine Orthese kommt immer dann zum Einsatz, wenn ein Körperteil stabilisiert oder gezielt entlastet werden soll. Besonders nach Verletzungen wie Knochenbrüchen, Bänderrissen oder Operationen helfen Orthesen, das betroffene Gelenk ruhigzustellen und so die Heilung zu unterstützen. Auch bei chronischen Erkrankungen wie Arthrose, Lähmungen oder neurologischen Störungen können sie sinnvoll sein: Sie lindern Schmerzen, geben Halt und ermöglichen kontrollierte Bewegungen, die ohne Orthese schwerfallen würden.

Darüber hinaus werden Orthesen genutzt, um Fehlstellungen zu korrigieren. Ein bekanntes Beispiel ist die Skoliose-Orthese bei einer seitlichen Verkrümmung der Wirbelsäule. Auch bei Fußfehlstellungen oder Problemen im Sprunggelenk können spezielle Modelle eingesetzt werden. So tragen Orthesen dazu bei, die Beweglichkeit zu erhalten und im Alltag wieder mehr Sicherheit zu gewinnen.

Unterschied zwischen Orthese und Prothese

Die Begriffe Orthese und Prothese werden im Alltag häufig verwechselt, haben aber eine ganz unterschiedliche Bedeutung. Eine Orthese unterstützt einen vorhandenen Körperteil: Sie stabilisiert, schützt oder korrigiert Strukturen wie Gelenke, Muskeln oder Knochen. Typische Beispiele sind eine Knieorthese nach einem Kreuzbandriss oder eine Fußheberorthese, die beim Gehen hilft.

Eine Prothese dagegen ersetzt einen Körperteil, der fehlt oder dauerhaft nicht mehr funktionsfähig ist – zum Beispiel ein künstliches Bein nach einer Amputation oder eine Hüftprothese bei schwerer Arthrose. Während die Prothese also ein Ersatz ist, wirkt die Orthese eher als Verstärkung oder Schutz des eigenen Körpers.

Beide Hilfsmittel verfolgen dasselbe Ziel: Sie sollen die Beweglichkeit erhalten und die Lebensqualität verbessern, allerdings auf sehr unterschiedliche Weise.

Typische Formen und Anwendungsbeispiele

Orthesen gibt es in vielen Varianten, je nachdem, welches Körperteil unterstützt werden soll. Sehr bekannt sind Knieorthesen, die nach Kreuzband- oder Meniskusverletzungen Stabilität geben und das Gelenk vor erneuten Schäden schützen. Am Sprunggelenk helfen spezielle Modelle, nach Bänderrissen schneller wieder sicher auftreten zu können. Für die Hand oder das Handgelenk werden Orthesen eingesetzt, wenn Sehnen gereizt sind, ein Bruch verheilt oder das Gelenk nach einer Operation geschont werden muss. Auch Rücken- und Wirbelsäulenorthesen sind weit verbreitet – sie korrigieren Fehlhaltungen, wie bei einer Skoliose, oder entlasten die Wirbel nach Operationen.

Ein besonderes Beispiel ist die sogenannte Fußheberorthese. Sie unterstützt Menschen, die aufgrund einer Lähmung den Fuß nicht aktiv anheben können. Ohne diese Hilfe würde jeder Schritt zum Stolperrisiko, mit der Orthese wird normales Gehen wieder möglich. Manche Modelle müssen nur zeitweise getragen werden, etwa nachts oder beim Sport. Andere gehören über Wochen oder Monate zum Alltag, damit Heilung oder Korrektur optimal gelingen.

Was bedeutet es, eine Orthese zu tragen?

Eine Orthese zu tragen, fühlt sich anfangs oft ungewohnt an. Je nach Größe und Bauweise kann sie Bewegungen einschränken oder im ersten Moment sogar störend wirken. Viele Betroffene berichten jedoch, dass sie sich nach einer kurzen Eingewöhnungszeit sicherer fühlen und deutlich weniger Schmerzen haben. Denn die Orthese schützt das Gelenk, entlastet geschwächte Strukturen und gibt dem Körper die Möglichkeit, sich besser zu erholen.

Damit die Wirkung voll entfaltet wird, ist es wichtig, die Orthese regelmäßig und so lange wie empfohlen zu tragen. Ärzt:innen und Orthopädietechniker:innen erklären genau, wann und wie sie eingesetzt werden sollte. Wenn es dabei zu Druckstellen, Reizungen oder Unsicherheiten kommt, lohnt sich eine Rücksprache – oft lässt sich die Passform nachjustieren, sodass der Tragekomfort verbessert wird.

Im Alltag kann die Orthese nicht nur die Beweglichkeit fördern, sondern auch ein Gefühl von Stabilität und Sicherheit geben – beim Gehen, Treppensteigen oder bei alltäglichen Tätigkeiten. Sie ist daher weniger ein Zeichen von Einschränkung, sondern vielmehr ein Hilfsmittel, das Selbstständigkeit zurückgewinnen lässt.

Was bedeutet es, eine Orthese zu tragen?

Eine Orthese kann den Alltag zunächst ungewohnt machen. Je nach Größe und Bauweise schränkt sie Bewegungen ein oder fühlt sich erst einmal fremd am Körper an. Mit etwas Geduld und Übung gelingt es aber meist, sich gut an das Hilfsmittel zu gewöhnen. Viele Menschen berichten, dass die Orthese ihnen Sicherheit gibt und Schmerzen lindert, weil sie das betroffene Gelenk schützt.

Wichtig ist, die Orthese regelmäßig und korrekt zu tragen, wie es die Ärztin, der Arzt oder die Orthopädietechnikerin erklärt haben. Nur so kann sie ihre volle Wirkung entfalten. Bei Unsicherheiten oder Druckstellen hilft es, noch einmal Rücksprache zu halten – oft lässt sich die Passform nachjustieren.

Wie läuft die Anpassung ab?

Eine Orthese wirkt nur dann richtig, wenn sie gut sitzt. Deshalb wird sie in den meisten Fällen individuell angepasst. Nach der ärztlichen Verordnung erfolgt ein Termin beim Orthopädietechniker oder im Sanitätshaus. Dort wird die betroffene Körperregion vermessen oder ein Abdruck genommen. Auf dieser Grundlage entsteht die passende Orthese, die anschließend bei der Anprobe so eingestellt wird, dass sie weder drückt noch rutscht.

Neben maßgefertigten Modellen gibt es auch vorgefertigte Orthesen in verschiedenen Größen. Diese werden so angepasst, dass sie optimal anliegen und den gewünschten Halt geben. Entscheidend ist eine gute Passform: Sie verhindert Druckstellen, Hautreizungen und unnötige Bewegungseinschränkungen.

Wer eine Orthese erhält, sollte bei der ersten Anpassung genau auf sein Körpergefühl achten. Wenn etwas ungewohnt oder unangenehm ist, lohnt sich sofortiges Nachfragen – kleine Korrekturen machen oft einen großen Unterschied im Tragekomfort.

Reinigung und Pflege im Alltag

Damit eine Orthese lange funktioniert und hygienisch bleibt, sollte sie regelmäßig gepflegt werden. Die meisten Modelle lassen sich mit einem feuchten Tuch und etwas milder Seife abwischen. Textilpolster oder Bezüge können häufig abgenommen und separat gewaschen werden.

Ebenso wichtig ist die Hautpflege unter der Orthese. Tägliches Waschen und gründliches Abtrocknen beugen Reizungen und Druckstellen vor. Wenn die Haut trotzdem gerötet oder wund wird, sollte man zeitnah Rücksprache mit dem Sanitätshaus oder der behandelnden Praxis halten – oft lassen sich Material oder Sitz der Orthese anpassen.

Hersteller und Orthopädietechniker geben in der Regel konkrete Hinweise zur Reinigung. Wer diese beachtet, sorgt dafür, dass die Orthese stabil bleibt und gleichzeitig angenehm zu tragen ist.

Wann ist eine Orthese sinnvoll?

Eine Orthese kommt immer dann zum Einsatz, wenn sie den Körper gezielt unterstützen kann – sei es, um die Heilung nach einer Verletzung zu fördern, Schmerzen zu verringern oder die Beweglichkeit zu verbessern. Nach Knochenbrüchen oder Bänderverletzungen stabilisiert sie die betroffene Region, damit das Gewebe in Ruhe heilen kann. Bei chronischen Erkrankungen wie Arthrose oder Lähmungen hilft sie, Belastungen zu reduzieren und Bewegungsabläufe sicherer zu machen.

Manchmal wird eine Orthese nur vorübergehend benötigt, etwa für einige Wochen nach einer Operation. In anderen Fällen – zum Beispiel bei dauerhaften Erkrankungen – kann sie zu einem festen Bestandteil des Alltags werden. Ob und welche Orthese sinnvoll ist, entscheidet die Ärztin oder der Arzt gemeinsam mit den Orthopädietechniker:innen. So wird sichergestellt, dass das Hilfsmittel optimal zur jeweiligen Situation passt.

Was tun bei Problemen mit der Orthese?

Auch wenn eine Orthese individuell angepasst wird, können im Alltag Schwierigkeiten auftreten. Manche Betroffene bemerken Druckstellen, Hautreizungen oder ein unangenehmes Reiben. In solchen Fällen ist es wichtig, die Beschwerden nicht einfach hinzunehmen, sondern frühzeitig Rücksprache mit dem Sanitätshaus oder der behandelnden Praxis zu halten. Schon kleine Änderungen an der Passform reichen oft aus, damit die Orthese wieder bequem sitzt.

Kommt es zu Defekten, Verschleiß oder wenn die Orthese ihre Stabilität verliert, sollte ebenfalls eine Kontrolle erfolgen. Viele Modelle lassen sich reparieren oder anpassen, sodass ein kompletter Ersatz nicht sofort nötig ist. Eine offene Kommunikation mit Fachpersonal ist dabei entscheidend: Je genauer die Rückmeldung ist, desto schneller lassen sich Probleme lösen. Auf diese Weise bleibt die Orthese ein Hilfsmittel, das zuverlässig zur Mobilität und Lebensqualität beiträgt.

Wissenschaftliche Quellen

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  • Cochrane Collaboration. (2015). Knee braces for osteoarthritis of the knee (Cochrane Review). Cochrane Database of Systematic Reviews.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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