Finnegan Score bei Neugeborenen verstehen

Finnegan Score bei Neugeborenen verstehen

22.05.2025

PD Dr. med. Witold Polanski

Der Finnegan Score ist ein spezielles Punktesystem, das zur Beurteilung von Entzugserscheinungen bei Neugeborenen verwendet wird, die vor der Geburt bestimmten Medikamenten oder Drogen ausgesetzt waren. Mit diesem Verfahren lässt sich einschätzen, wie stark ein Baby nach der Geburt unter Entzugssymptomen leidet und ob eine Behandlung notwendig ist.

Wofür wird der Finnegan Score eingesetzt?

Der Finnegan Score kommt hauptsächlich bei Säuglingen zum Einsatz, deren Mütter während der Schwangerschaft Opioide eingenommen haben. Dazu zählen unter anderem Medikamente wie Methadon oder Subutex, aber auch illegale Substanzen wie Heroin. Auch einige andere Arzneimittel, zum Beispiel bestimmte Antidepressiva oder Beruhigungsmittel, können beim Kind nach der Geburt Entzugserscheinungen auslösen. Diese Beschwerden werden als Neonatales Abstinenzsyndrom bezeichnet.

Mit Hilfe des Finnegan Scores können Ärztinnen und Ärzte gezielt beobachten, wie stark die Symptome beim Baby ausgeprägt sind. Das Punktesystem hilft dabei, Veränderungen im Verlauf zu erkennen und die Entscheidung zu treffen, ob eine medizinische Behandlung notwendig ist.

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Wie funktioniert das Punktesystem?

Der Finnegan Score besteht aus einer Liste von Anzeichen, die bei Neugeborenen auf einen Entzug hindeuten können. Dazu gehören zum Beispiel starkes Zittern, Unruhe, häufiges Schreien, Probleme beim Trinken, Erbrechen, Durchfall oder eine erhöhte Atemfrequenz. Jedes dieser Symptome wird in seiner Ausprägung bewertet und mit einer bestimmten Punktzahl versehen.

Mehrmals am Tag – meist alle vier Stunden – werden die Babys untersucht und die jeweiligen Punkte addiert. Je mehr Symptome auftreten und je stärker sie ausgeprägt sind, desto höher fällt der Gesamtscore aus. Ein hoher Wert zeigt an, dass das Kind unter deutlichen Entzugserscheinungen leidet.

Was bedeuten die Ergebnisse?

Ein niedriger Finnegan Score bedeutet, dass das Baby nur leichte oder gar keine Entzugszeichen zeigt. Steigt der Wert jedoch über eine bestimmte Schwelle, spricht das für stärkere Beschwerden. In vielen Kliniken gilt: Ab einem bestimmten Punktestand – häufig ab 8 oder höher – wird überlegt, ob das Neugeborene eine spezielle Behandlung benötigt.

Die Bewertung mit dem Finnegan Score ist dabei kein einmaliges Ereignis. Die Werte werden regelmäßig überprüft, um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. So lässt sich gezielt reagieren, wenn sich der Zustand des Babys verschlechtert oder stabilisiert.

Was passiert, wenn der Score hoch ist?

Ein hoher Finnegan Score kann für Eltern sehr beunruhigend sein. Er bedeutet, dass das Kind unter spürbaren Entzugserscheinungen leidet. Typisch sind zum Beispiel unstillbares Schreien, starke Unruhe, Schlafprobleme, Schwierigkeiten beim Trinken oder auch Gewichtsverlust. Viele Eltern fragen sich dann: Ist das gefährlich? Wird mein Kind Folgeschäden davontragen?

Entzugserscheinungen bei Neugeborenen sind zwar belastend, aber in den allermeisten Fällen gut behandelbar. Die Symptome entstehen, weil der kleine Körper sich nach der Geburt an das Fehlen der gewohnten Substanzen anpassen muss. Das kann einige Tage bis Wochen dauern.

Die größte Sorge vieler Eltern ist, ob ihr Kind langfristige Schäden davonträgt. Nach heutigem Wissen sind die meisten Babys nach überstandener Entzugsphase gut entwicklungsfähig. Wichtig ist jedoch eine engmaschige Betreuung und – bei Bedarf – eine gezielte Behandlung.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Ob eine Behandlung notwendig ist, hängt vom Verlauf der Symptome ab. Zunächst versuchen Ärzteteams, die Beschwerden durch nicht-medikamentöse Maßnahmen zu lindern. Dazu zählen viel Körperkontakt, ruhige Umgebung, Wickeln im sogenannten Pucktuch oder häufigeres Füttern in kleinen Portionen. In vielen Fällen lassen sich die Symptome so bereits deutlich bessern.

Reicht das nicht aus und bleibt der Finnegan Score über mehrere Messungen hinweg hoch, kann eine medikamentöse Behandlung notwendig werden. Dabei kommen meist niedrig dosierte Opioide zum Einsatz, die schrittweise wieder reduziert werden. Ziel ist es, die Entzugssymptome zu lindern und dem Baby einen möglichst sanften Start ins Leben zu ermöglichen.

Die Therapie wird individuell angepasst und unter engmaschiger Kontrolle durchgeführt. Sobald die Beschwerden nachlassen und der Finnegan Score sinkt, werden die Medikamente langsam ausgeschlichen.

Was bedeutet der Finnegan Score für den weiteren Verlauf?

Der Finnegan Score begleitet betroffene Babys und ihre Familien meist nur in den ersten Lebenswochen. Nach erfolgreicher Behandlung und Abklingen der Symptome können die meisten Kinder ganz normal nach Hause entlassen werden. Für die Eltern ist es hilfreich zu wissen, dass die Entzugsphase zwar herausfordernd, aber in der Regel zeitlich begrenzt ist.

Im weiteren Verlauf empfehlen viele Ärztinnen und Ärzte eine regelmäßige Nachsorge, um die Entwicklung des Kindes gut im Blick zu behalten. So lässt sich frühzeitig erkennen, ob zusätzliche Unterstützung sinnvoll ist. In den meisten Fällen entwickeln sich die Kinder nach überstandener Entzugsphase jedoch unauffällig weiter.

Der Finnegan Score ist damit ein wichtiges Hilfsmittel, um Babys mit Entzugserscheinungen gezielt zu begleiten und ihnen einen bestmöglichen Start ins Leben zu ermöglichen.

BITTE BEACHTEN

Dieser Artikel dient ausschließlich der allgemeinen Information und kann nicht das persönliche Gespräch mit einer Ärztin oder einem Arzt ersetzen. Für eine individuelle Diagnose, Therapieempfehlung und Behandlung konsultieren Sie bitte immer medizinisches Fachpersonal.

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