Bioidentische Hormontherapie bezeichnet eine Behandlung, bei der Hormone eingesetzt werden, die in ihrer chemischen Struktur exakt den körpereigenen menschlichen Hormonen entsprechen.
Was steckt hinter dem Begriff?
Hinter dem Ausdruck verbirgt sich ein Ansatz aus der Hormonmedizin, der sich von klassischen Hormontherapien unterscheidet. Während herkömmliche Präparate oft synthetische oder aus tierischen Quellen gewonnene Hormone enthalten, werden bei der bioidentischen Hormontherapie Substanzen verwendet, die im Labor so hergestellt werden, dass sie den natürlichen Hormonen des Menschen gleichen. Das Ziel dabei ist, hormonelle Ungleichgewichte – etwa in den Wechseljahren, bei bestimmten Stoffwechselstörungen oder anderen hormonellen Problemen – möglichst „naturnah“ auszugleichen.
Die wichtigsten bioidentischen Hormone sind Östrogene, Progesteron und Testosteron. Sie werden meist aus pflanzlichen Ausgangsstoffen wie Yamswurzel oder Soja gewonnen und anschließend chemisch so verändert, dass sie mit den menschlichen Hormonen identisch sind.
Wann kommt die bioidentische Hormontherapie zum Einsatz?
Am häufigsten wird diese Therapieform im Zusammenhang mit Beschwerden in den Wechseljahren angewendet. Typische Symptome wie Hitzewallungen, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen oder trockene Schleimhäute können durch einen Mangel an bestimmten Hormonen entstehen. Auch bei Männern, deren Testosteronspiegel im Alter sinkt, oder bei bestimmten Erkrankungen, die den Hormonhaushalt beeinflussen, wird manchmal eine bioidentische Hormontherapie erwogen.
Einige Ärztinnen und Ärzte setzen diese Therapie auch bei Zyklusstörungen, PMS (prämenstruelles Syndrom) oder nach Entfernung der Eierstöcke ein. Die Behandlung kann in Form von Cremes, Gelen, Tabletten, Pflastern oder Kapseln erfolgen. In manchen Fällen werden auch individuell hergestellte Mischungen in Apotheken angefertigt.
Was bedeutet „bioidentisch“ für den Körper?
Bioidentische Hormone sind so konzipiert, dass sie an die gleichen Rezeptoren im Körper andocken wie die körpereigenen Hormone. Dadurch sollen sie möglichst natürlich wirken und – so die Hoffnung vieler Anwenderinnen und Anwender – weniger Nebenwirkungen verursachen als herkömmliche, synthetische Hormone.
Allerdings ist wichtig zu wissen: Auch bioidentische Hormone sind wirksame Medikamente. Sie greifen gezielt in den Hormonhaushalt ein und können sowohl positive Effekte als auch unerwünschte Wirkungen haben. Die Vorstellung, dass „bioidentisch“ automatisch „sicher“ oder „nebenwirkungsfrei“ bedeutet, stimmt so nicht. Der Körper merkt nicht, ob ein Hormon aus eigener Produktion stammt oder von außen zugeführt wird – entscheidend ist die Dosis und die persönliche Situation.
Häufige Fragen und Sorgen zur bioidentischen Hormontherapie
Viele Menschen fragen sich, ob diese Form der Hormontherapie wirklich sanfter ist als die klassische Behandlung. Die Hoffnung auf eine schonende, natürliche Lösung ist verständlich, besonders wenn die Wechseljahresbeschwerden stark sind oder Vorbehalte gegenüber synthetischen Hormonen bestehen.
Eine häufige Sorge betrifft das Risiko für Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen oder Thrombosen. Studien zeigen, dass auch bioidentische Hormone diese Risiken nicht vollständig ausschließen können. Die Datenlage ist noch nicht so umfassend wie bei den klassischen Hormonpräparaten, weil bioidentische Hormontherapien oft individuell zusammengestellt werden und weniger standardisiert sind. Das macht es schwieriger, klare Aussagen zu treffen.
Manche Menschen befürchten, dass sie durch eine Hormontherapie abhängig werden könnten oder dass der eigene Körper die Hormonproduktion einstellt. In der Regel ist das nicht der Fall, solange die Therapie ärztlich begleitet und die Dosis angepasst wird. Dennoch sollte die Behandlung nicht ohne medizinische Kontrolle erfolgen.
Ein weiterer Punkt: Es gibt Anbieter, die bioidentische Hormontherapien als besonders „natürlich“ oder „risikofrei“ bewerben. Solche Versprechen sind mit Vorsicht zu genießen. Jede Hormontherapie – egal ob bioidentisch oder synthetisch – sollte individuell abgewogen werden.
Wie läuft die Behandlung ab?
Vor Beginn einer bioidentischen Hormontherapie steht immer eine ausführliche Diagnostik. Dazu gehören in der Regel ein Gespräch über Beschwerden, eine körperliche Untersuchung und meist auch Blut- oder Speicheltests, um den Hormonstatus zu bestimmen.
Die Dosierung wird individuell festgelegt und regelmäßig kontrolliert. Ziel ist es, die Symptome zu lindern, ohne den Hormonspiegel unnötig stark zu erhöhen. Die Therapie kann als Creme, Gel, Tablette oder Pflaster verabreicht werden. Die Auswahl der Präparate richtet sich nach den Beschwerden, dem Lebensalter und eventuellen Vorerkrankungen.
Während der Behandlung sind regelmäßige Kontrolluntersuchungen wichtig. So können Wirkung und mögliche Nebenwirkungen frühzeitig erkannt und die Therapie angepasst werden.
Chancen und Grenzen
Bioidentische Hormontherapie kann für viele Menschen eine Möglichkeit sein, belastende Beschwerden zu lindern. Sie bietet eine Alternative zu klassischen Hormonpräparaten, ist aber kein Allheilmittel. Die Entscheidung für oder gegen diese Therapie sollte immer gemeinsam mit einer erfahrenen Ärztin oder einem erfahrenen Arzt getroffen werden.
Nicht jeder Mensch profitiert gleichermaßen von der Behandlung. Bei bestimmten Vorerkrankungen – etwa Brustkrebs, Thrombosen oder schweren Lebererkrankungen – ist eine Hormontherapie grundsätzlich nicht zu empfehlen. Auch die Dauer der Anwendung sollte möglichst kurz gehalten und regelmäßig überprüft werden.
Wichtig ist, realistische Erwartungen zu haben und sich nicht von Werbeaussagen leiten zu lassen. Die Wirkung und die Sicherheit bioidentischer Hormontherapien hängen von der sorgfältigen Auswahl, Überwachung und Anpassung ab. Ein ausführliches Gespräch mit einer Fachperson hilft, die eigenen Beschwerden besser einzuordnen und die passende Behandlung zu finden.